Streit um Kondome in Irland spitzt sich zu

Dublin (taz) — Kondome schützen nicht vor Aids, sondern sie fördern die Verbreitung der Krankheit geradezu. Das behauptete am Wochenende Bischof Newman aus der westirischen Stadt Limerick. Als Beweis führte der Bischof Statistiken an: Länder, in denen Kondome „an jeder Ecke erhältlich sind“, seien „von der Krankheit überschwemmt“ worden. Newmans törichte Rede ist der Auftakt zu einer Kampagne der katholischen Hierarchie gegen eine Gesetzesvorlage, durch die das Mindestalter bei der Kondomabgabe in Irland auf 16 Jahre herabgesetzt werden soll. Darüber hinaus will die Dubliner Regierung die Verkaufsbeschränkungen lockern. Bisher dürfen Kondome nur von Apotheken, Arztpraxen und Kliniken abgegeben werden. Erst vor zwei Wochen wies ein Dubliner Gericht die Berufungsklage der irischen Familienplanungsklinik (FPA) ab und erhöhte die Geldstrafe auf umgerechnet 1.400 Mark, weil die FPA an ihrem Informationsstand in einem Plattenladen Kondome verkauft hatte. Erschwerend kam hinzu, daß der Plattenladen ausgerechnet „Virgin“ (Jungfrau) heißt. Im Wiederholungsfall droht den illegalen Gummidealern eine Strafzahlung in zehnfacher Höhe sowie ein Jahr Haft. Das entspricht in etwa der Strafe, die auf Kokainhandel steht. Das Urteil hatte in Irland Proteste aller politischen Parteien ausgelöst. Auf dem Jahreskongreß der irischen Regierungspartei Fianna Fail (Soldaten des Schicksals) kündigte Premierminister Charles Haughey am Wochenende Gesetzesinitiativen an, die „eine pluralistische Gesellschaft und moderne Ansprüche“ widerspiegeln sollen. Nach der bischöflichen Attacke geriet er jedoch ins Schwanken. In einem Interview sagte Haughey gestern, daß er bisher lediglich laut über eine Herabsetzung der Altersbeschränkung bei der Kondomabgabe nachgedacht habe. Schließlich dürften 16jährige nach irischem Recht auch heiraten, meinte der Regierungschef. Für Bischof Newman gelten Kondome jedoch weiterhin als Werkzeuge des Teufels, die „zur Zerstörung irischer Familien“ führen werden. Das Argument, Kondome seien der beste Schutz gegen Aids, bezeichnete er als „Augenwischerei erster Güte“. Statistiken belegen jedoch, daß die Krankheit in Irland zwar im europäischen Vergleich noch nicht sehr verbreitet ist, die Insel jedoch bei HIV-positiven Babys an der Spitze in Westeuropa liegt. Newman ließ sich von Tatsachen jedoch nicht beirren und zitierte zum Schluß seinen Kollegen, Kardinal Ratzinger: „Wenn das Gewissen auf eine feste, subjektive Überzeugung ohne Beziehung zu objektiven Normen von Gut und Böse reduziert ist, dann sitzen Hitler und seine Komplizen jetzt im Himmel.“ Ralf Sotscheck