Alle antworten Weizsäcker Nur Kohl schweigt

■ Der Vorstoß des Präsidenten für Berlin provoziert nur gebetsmühlenhafte Stellungnahmen aus der Provinz

Berlin (taz) — Richard von Weizsäcker hat mit seinem Memorandum für Berlin als Sitz der Bundesregierung eine neue Runde der Hauptstadtdiskussion eingeläutet. Die von ihm provozierten neuen Äußerungen spiegeln allerdings altbekannte Positionen wieder. Erwartungsgemäß hat der Berliner SPD-Vorsitzende Walter Momper, bis Anfang des Jahres noch Regierender Bürgermeister der Stadt, Weizsäckers Appell an die Partei- und Fraktionschefs begrüßt, den Parlaments- und Regierungssitz an die Spree zu verlegen, weil damit ein Signal für die Identitätsfindung der neuen Bundesrepublik gesetzt werde. Und genausowenig überraschend fiel die Ablehnung des Bonner Oberbürgermeisters Hans Daniels (CDU) aus, der in der Weizsäcker-Denkschrift sogar eigene Positionen wiedererkannt haben will. Sie weise nämlich „mit Recht darauf hin, welche große Zukunft Berlin unabhängig vom Bundestag und Bundesregierung“ haben werde.

Die SPD zeigt sich in gewohnter Uneinigkeit. Parteichef Hans-Jochen Vogel findet Weizsäckers Argumente „einleuchtend“ und kritisiert die Ansicht seines Kollegen Horst Ehmke, der Bundespräsident habe einen „Affront“ gegen Bundesrat und Bundestag gestartet. Der niedersächsische Ministerpräsident Schröder (SPD) hat sich bereits lobend über die Weizsäcker-Initiative geäußert, während der frischgewählte Jusochef Ludwig wiederum tadelt, das Staatsoberhaupt hätte nicht in die Debatte eingreifen dürfen.

Die FDP läßt den Wirtschaftsminister für sich sprechen, der mit Sympathie für Weizsäckers Vorgehen die Berlinfrage für eine Angelegenheit der persönlichen Glaubwürdigkeit aller Politiker hält. Der Bonner CSU-Landesgruppenchef Bötsch dagegen meint, des Bundespräsidenten Standpunkt sei „zwar wichtig, aber nicht allein entscheidend“. Arbeitsminister Blüm (CDU) will auf jeden Fall am Rhein bleiben. Der Umzug sei reiner Luxus.

Helmut Kohl hält sich bescheiden zurück. Er will sich erst äußern, so ließ er vortragen, wenn dieses Thema zur Entscheidung im Bundestag anstehe. Und auch dann nur als Abgeordneter. „Als Bundeskanzler wird er dazu nichts sagen.“ Womit alles gesagt ist. bg