Krüger blamiert

■ Bundesweiter Drogenkongreß mit über 500 Teilnehmern und Grußwort selbst des Bundesratspräsidenten

Charlottenburg. Die vorbereiteten Kongreßmappen waren bereits am zweiten Tag vergriffen — mit soviel Interesse hatten selbst die OrganisatorInnen nicht gerechnet: Weit über 500 TeilnehmerInnen kamen aus dem ganzen Bundesgebiet, um in der TU den ersten Kongreß des Bundesverbandes »Für akzeptierende Drogenarbeit und Humane Drogenpolitik« (»akzept e.V.«) zu besuchen. Auch auf politischer Ebene fand der Kongreß bereits Gehör: Während sich Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) darauf beschränkte, die OrganisatorInnen für den 4. April zu einem gemeinsamen Gespräch einzuladen und den Kongreß ansonsten zu boykottieren, schickten sowohl der Bundesratspräsident und Hamburger Regierungschef Henning Voscherau wie auch der nordrhein- westfälische Sozialminister Herrmann Heinemann (beide SPD) ein anerkennendes Grußwort. Sinn und Ziel des Kongresses ist es, »die gesundheitliche und soziale Krisenlage der deutschen Drogenszene öffentlich zu machen und unter akzeptierenden und humanen Gesichtspunkten« zu diskutieren, so der »akzept«- Vorsitzende Edwin Scholz. Hilfe für Drogengebraucher, so Scholz nicht ohne Selbstkritik, »wurde auf politischer Ebene viel zu lange den Konservativen überlassen«.

Schon in den Vormittagsstunden sind die Hörsäle überfüllt, nachmittags behandeln zahlreiche Workshops die unterschiedlichen Facetten von Drogensucht und -abhängigkeit. Hier stellen Drogenselbsthilfeprojekte ihre Arbeit vor, Rechtsanwälte und Substituierte referieren über die Lage von drogengebrauchenden Menschen im Knast, Thema ist aber auch die »Liaison von Wirtschafts- und Sicherheitspolitik in Drogenfragen«. Weniger interessant fanden die KongreßteilnehmerInnen wohl den »Stand und die Entwicklung der HIV-Epidemie bei DrogengebraucherInnen«: hier fanden sich nur sieben Interessierte, während sich an den übrigen Veranstaltungen bis zu 30 Leuten beteiligten.

Einen besonderen Stellenwert erhält der Kongreß dadurch, so Marion Peters vom »akzept«-Vorstand, daß sich so viele DrogengebraucherInnen — als Teilnehmer und Organisatoren — daran beteiligen. Einer von ihnen ist Werner Hermann — nach 24 Jahren Heroingebrauch wird er seit zwei Jahren mit Polamidon substituiert und hat nun den Kongreß mitorganisiert. »Als Leidtragende der offiziellen Drogenpolitik müssen wir an der öffentlichen Diskussion beteiligt werden und mitentscheiden können, wie wir behandelt werden.« Der Berliner »akzept«-Arbeitskreis »Arbeit und Bildung für Substituierte und DrogengebraucherInnen« konnte sich auf dem Kongreß in diesen Entscheidungsprozeß bereits einklinken: die zuständige Vertreterin des Arbeitsamtes sagte zu, künftig regelmäßig mit der Gruppe zusammenzuarbeiten. Für Monika Haidig, Vertreterin der Gruppe, ein wichtiger Schritt: »Arbeitsmöglichkeiten für Gebraucher und Substituierte gibt es innerhalb des bestehenden Arbeitsförderungsgesetzes — meist fehlt es jedoch noch an der Akzeptanz der Arbeitgeber.«

Dem Verband »akzept e.V.« fehlt es vor allem an Geld. Der Kongreß konnte überhaupt nur zustande kommen, weil er zum größten Teil von der Deutschen Aids-Hilfe finanziert wurde. Deshalb beginnt die eigentliche Herausforderung für »akzept«- Chef Scholz erst nach dem Kongreß: »Dann muß man sehen, wie breit der Wille tatsächlich ist, akzeptierende Drogenarbeit auch umzusetzen.« Schon während des Kongresses sorgten die unterschiedlichen Definitionen von Akzeptanz für heftige Diskussionen: »Wir wollen uns nicht gegenseitig auf die Schulter klopfen, sondern das ganze Spektrum von Entkriminalisierung bis Legalisierung, von professioneller Drogenarbeit bis Selbsthilfe debattieren.« Und auch das ist für Scholz erst der Anfang: »Wir brauchen ein breites, schlagkräftiges Forum, über das die politisch Verantwortlichen nicht mehr hinwegdenken können.« maz