Die Rückkehr des dunklen Ritters

Ein Blick auf die in der letzten Zeit erschienenen Batman-Bände  ■ Von Claus Christian Malzahn

In den Städten herrscht Krieg. In der größten Stadt ist der Krieg am gemeinsten. Ihr Name ist Gotham City. Dort treiben Monster in Menschengestalt und bizarre Bösewichter ihr Unwesen. Sie heißen Two- Face oder Joker. Sie töten aus Lust und mit diabolischem Instinkt. Ihre Motive sind nicht bekannt. Sie haben auch gar keine. Sie sind böse, weil sie böse sind. Es ist ihr Job. Die Polizei ist machtlos, ihr sind durch Recht und Gesetz die Hände gebunden. Nur einer kann den täglichen Angriffen auf den amerikanischen Traum wirklich etwas entgegensetzen: Batman, alias Bruce Wayne, der sechsjährig hilflos zusehen mußte, wie ein Krimineller namens Joe Chill seine Eltern nach einem Kinobesuch erschoß. Er schwor Rache und sagte der Unterwelt den Kampf an. 50 Jahre lang war Batman edel, hilfreich und gut, wurde von den Menschen bejubelt und von der Polizei herbeigerufen, wenn sie mit der Fahndung nicht weiterkam. Doch heute ist alles anders.

Seit etwa fünf Jahren werden in den USA Batman-Comics gezeichnet, die nur noch wenig mit dem braven Serienhelden der 50er, 60er und 70er Jahre gemeinsam haben. Die Zeichner und Szenaristen der neuen Bände sind mit dem Batman-Mythos groß geworden und lassen seit Jahren nichts mehr unversucht, die Figur des schwarzen Ritters und seiner Gegner neu und anders zu interpretieren. Comic-Künstler wie Frank Miller, Alan Moore oder Dave McKean erreichen mit ihren Werken mittlerweile ein in weiten Teilen erwachsenes Millionenpublikum und haben wichtige Impulse für den Erzählcomic und seine graphischen Experimente geliefert. Der Herausgeberverlag DC-Comics expandierte wegen des Batman-Booms gegen Ende der 80er Jahre in den USA zum Marktführer.

Die Leser stimmen über den Tod des Helden ab

Früher war Batman ein Privatpolizist mit hehren Motiven, der keine Waffen benutzte und sich ganz auf seinen durchtrainierten Körper verließ. Er wurde von „Robin, the Boy-wonder“ unterstützt, einem 16jährigen Waisenknaben, der sich vor allem jüngeren Lesern als Identifikationsfigur anbot. 1984 kam Robin bei einer Explosion im Libanon ums Leben. Zuvor hatte der Verlag seine Leser zur Urabstimmung über das Schicksal des Co-Helden aufgerufen. Die Mehrheit votierte für Tod. Schon damals wurde deutlich, daß die älter gewordene Leserschaft einen anderen Batman wollte und für ein pubertierendes Weichei wie Robin kein Verständnis mehr hatte. Nach der Ermordung Robins durch die Leser verstummten außerdem alle Gerüchte über Batmans heimliche Homosexualität. Die waren Anfang der 60er Jahre aufgekommen. Damals liefen Batmans Abenteuer als TV-Serie — vor kurzem wurde sie auf SAT 1 wiederholt — , und die tuntenhaften Kostüme der beiden Superhelden ließen einen solchen Schluß tatsächlich zu.

Den wirklichen Bruch mit dem Mythos vollzog dann Frank Millers Rückkehr des dunklen Ritters (USA 1986). Die Geschichte spielt im Gotham City der Gegenwart — gemeint ist wie immer New York City. Ganze Stadtteile werden von kriminellen Jugendgangs beherrscht, androgyne schwerbewaffnete Killer wollen das öffentliche Leben kontrollieren. Joker bricht aus einer psychiatrischen Anstalt aus und setzt sich an die Spitze der kriminellen Bewegung. Der älter und fetter gewordene Bruce Wayne kramt nach zehn Jahren Abstinenz sein Batman-Cape wieder hervor und zieht — diesmal bewaffnet — in den Krieg. Doch sein Comeback wird nicht gefeiert. Liberale Politiker werfen ihm faschistoide Motive vor, TV-Moderatoren diskutieren mit Psycholgen, ob Batman ein Psychopath ist, das 'Time‘-Magazin reagiert gar mit einer „Pro und Contra“-Ausgabe. Miller ersetzt die jubelnden Massen, die in den alten Batman-Heften auftauchten, durch die Medien. Seine Szenarien sind martialisch und brutal. Batman ist nicht sympathisch, er tut, was er tun muß — und geht dabei selbst über Leichen.

Der 200 Seiten starke Band wurde in den USA kontrovers aufgenommen. Die in New York erscheinende Zeitschrift 'Village Voice‘ beschrieb den neuen Helden als einen „Rambo mit Cape“, andere Blätter unterstellten dem Zeichner und Texter selbst faschistoide Tendenzen. Wieder andere meinten, daß Miller gerade den latent vorhandenen faschistoiden Charakter früherer Ausgaben entlarvt hätte. Ausschlaggebend für die Bewertung von The Dark Knight Returns ist der Standpunkt des Betrachters, Miller selbst bezieht keine Stellung. Der Zeichner kratzt nicht am Mythos, er kokettiert mit ihm.

„Wenn ich in der Mitte bin, machst du das Licht aus!“

Wenig später erschien The killing Joke von Alan Moore (Story) und Brian Bolland (Zeichnungen) — vielleicht der beste unter den neuen Batmans. Die eher konventionell gezeichnete Geschichte dreht sich um das Verhältnis des Helden zu seinem Erzfeind, dem Joker. Batmans persönliche Geschichte — die Ermordung seiner Eltern, die Erziehung durch seinen Butler, seine Affäre mit der Fotografin Vicky Vale — wurde seit dem ersten Batman-Comic Ende der 30er Jahre tausendfach erzählt und variiert. Woher der Joker kommt, war dagegen kaum bekannt, — nur daß sein Clownsgesicht das Ergebnis eines furchtbaren Chemieunfalls ist. Alan Moore gab dem Joker endlich eine Vergangenheit: Der zunächst sehr liebenswerte Joker verlor in jungen Jahren Frau und Kind, hatte beruflich keinen Erfolg und geriet irgendwann in schlechte Gesellschaft. Ein gefallener Engel also.

Der Joker ist die Versuchung des Bösen, die Batman braucht, um seine eigene Rolle zu legitimieren. In The Killing Joke finden sich die beiden sogar ein bißchen sympathisch. „Ich will dich nicht umbringen oder dich verletzen“, meint Batman zum Bösewicht und fährt, ganz Sozialarbeiter, fort: „Vielleicht kann ich dir helfen und dann arbeiten wir zusammen!“ Das geht freilich nicht. Die Antwort des Jokers auf das vertrauensselige Angebot: „Es waren mal zwei Typen, die aus der Nervenklinik ausrissen. Plötzlich standen sie vor einem großen Graben. Der eine hatte eine Taschenlampe dabei und sagte: ,Ich mach den Scheinwerfer an und du läufst über den Lichtstrahl.‘ Da meint der andere: ,Ich bin doch nicht blöd. Wenn ich in der Mitte bin, machst du plötzlich das Licht aus.‘“ Dann lachen sich beide halbtot und gehen ihrer Wege.

Die beiden können sich also aufeinander verlassen, vertrauen können sie einander aber nicht. Sind vielleicht beide verrückt? Ist nicht nur der Joker ein Paranoiker? Um diese Frage geht es in dem jüngst auf deutsch erschienenen Werk von Grant Morrison und Dave McKean Der Tag der Narren. Das mit literarischen Zitaten überfrachtete postmoderne Werk ist vor allem wegen seiner unkonventionellen graphischen Erzählweise interessant. McKean beweist mit dem Band ein für allemal, daß Comics Kunst sein können. Die Story: Der Joker sitzt in der Psychiatrie, überlistet die Ärzte und nimmt sie als Geiseln. Er akzeptiert nur Batman als Verhandlungspartner. Während er drinnen mit den Medizinern die Auflösung der Psychiatrie diskutiert, fragt sich vor den Pforten des Irrenhauses ein verunsicherter Batman, ob er reingehen soll: „Ich habe Angst, daß, wenn ich durch das Tor dieser Anstalt gehe, ich dann zu Hause bin.“ Der Tag der Narren, dessen Zielpublikum eindeutig erwachsene Leser sind, machte auch in ökonomischer Hinsicht Comic-Geschichte. Schon vor Erscheinen des Bandes hatten sich 150.000 Amerikaner ein Exemplar des immerhin 25 Dollar teuren Werkes reservieren lassen.

Ein Computervirus namens Joker

Während Batman im Comic revolutioniert wird, erzählte der 1989 angelaufene gleichnamige Hollywood- Film mit Jack Nicholsen als Joker im Grunde nur eine perfekt inszenierte, aber alte und einfache Story. Das Batman-Fieber, das pünktlich zum Filmstart in den USA ausbrach — von Batman-Damenstrumpfhosen bis zur Batman-Filmmusik gab es alles mögliche — ist inzwischen wieder abgeflaut. Die Comic-Zeichner jedoch setzen sich nach wie vor mit der Figur auseinander und finden ein massenhaftes Publikum. Demnächst erscheint im Carlsen Verlag ein neuer futuristischer Comic: Digital Justice von Pepe Moreno. Das öffentliche Leben in Gotham City wird über einen Zentralrechner geregelt. Plötzlich gibt es Schwierigkeiten. Ein Computervirus frißt die Befehle auf. Sein Name ist Joker. Batman muß ins Programm geschleust werden. Der Krieg der Zukunft findet anderswo statt.

Die Rückkehr des dunklen Ritters , Carlsen-Verlag, 29,80 DM.

Lächeln, bitte! Carlsen-Verlag, 14,80 DM

Der Tag der Narren , Edition Comic Art bei Carlsen, 29,80 DM