Polens Joint-venture-Gesetz zieht Betrüger magisch an

Technologietransfer umgekehrt: Wie korrupte Fabrikdirektoren polnischer Staatsbetriebe ausländische Investoren kostenlos mit Know-how versorgen  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Als 1989 in Olsztyn (Allenstein) nördlich von Warschau die Unifood GmbH mit 56.000 Dollar amerikanischen Kapitals gegründet wurde, hatte die Warschauer Agentur für Auslandsinvestitionen die Hoffnung, mit der Genehmigung des Joint-ventures einen ersten Schritt auf dem Weg zur Modernisierung der Allensteiner Gefriergutfabrik zu tun. Doch es kam anders: Das neue Unternehmen kaufte für die 56.000 Dollar nicht etwa moderne Anlagen, sondern tauschte sie schlicht auf dem Schwarzmarkt in Zloty ein. Seither produziert und verkauft Unifood genau die gleichen Gefrierobstprodukte wie bisher die Staatsfirma. Nur mit dem Unterschied, daß sie aufgrund des polnischen Joint-venture-Gesetzes keine Lohnzuwachssteuer und keine Körperschaftssteuer zahlt und ihren Gewinn mit den Amerikanern teilen muß.

Das Gefrierobst-Beispiel ist nur eines aus dem neuen Bericht des Obersten Rechnungshofes über Transaktionen zwischen polnischen Staatsbetrieben und privaten Kapitalgesellschaften. Bei Kontrollen im vergangenen Jahr war der Rechnungshof zu dem Schluß gekommen, daß in vielen Fällen Kapitalverflechtungen mit ausländischen Investoren lediglich der Steuerhinterziehung oder Veruntreuung von staatlichem Vermögen dienten. Zahlreiche Direktoren staatlicher Betriebe hatten 1990 Privatfirmen gegründet, und diesen dann zu Niedrigstpreisen Firmenerzeugnisse verkauft, die sie dann zu freien Preisen weiterverkauften. Ganze Abteilungen staatlicher Firmen wurden in private Kapitalgesellschaften verwandelt, die dann zu Wucherpreisen Aufträge der Staatsbetriebe erfüllten. So konnten die gesetzlichen Lohnbegrenzungen umgangen werden, die Verluste der Staatswirtschaft wurden zu Gewinnen der Privatfirmen und was sonst als Kapitalertragssteuern an das Finanzministerium geflossen wäre, verschwand in den Taschen der Firmenchefs.

Schließlich wurde den Direktoren und ihren Familien der Besitz von konkurrierenden Privatfirmen verboten, und die Staatsanwälte begannen, in den Firmenakten zu wühlen. Die Betrügereien wurden dadurch keineswegs weniger, nur ausgefeilter — und mit häufigeren Beteiligungen westlicher Investoren. Diese brachten vor allem Bares in die polnischen Betriebe ein, deren Sacheinlagen niedrig bewertet wurden.

„So liegt der Vorteil schon bei der Gründung auf der Seite der ausländischen Anteilseigner, wodurch sich in der Folge die technologische Rückständigkeit der polnischen Betriebe weiter vertieft“, bemängeln die staatlichen Prüfer. In einigen Fällen hätten polnische Partner den Ausländern im Rahmen des Gesellschaftsvertrages sogar Lizenzen und Konzessionen kostenlos zur Verfügung gestellt — statt von West nach Ost flossen Know-how und Technologien in umgekehrter Richtung.

Im Obersten Rechnungshof legt man indessen Wert darauf, daß man keineswegs den Joint-venture-Bereich in Bausch und Bogen verdammen wolle. Der Report richte sich vor allem gegen Korruption und Mißwirtschaft seitens der Staatsbetriebe und der aufsichtführenden Ministerien. Besonders hart gehen die Prüfer mit dem Industrieministerium ins Gericht, dessen Dokumentation so stümperhaft geführt werde, daß daraus nicht einmal ersichtlich sei, wo welche Privatfirmen überhaupt Kapitalverflechtungen mit Staatsbetrieben eingegangen seien. Das Ministerium habe darüberhinaus die „wilde Privatisierung“ durch korrupte Manager geradezu gefördert.

So erhielten vier Bundesbürger aus dem bayrischen Aurach durch Minderbewertung der staatlichen Sacheinlagen 40 Prozent der Anteile einer Kleiderfabrik in Bielsko-Biala in Schlesien, obwohl ihnen korrekterweise nur fünf Prozent zugestanden hätten. Der Direktor der Staatsfirma war dabei nicht nur gleichzeitig, als rechtswidrig, Direktor der Privatfirma; es gelang ihm auch noch, im Industrieministerium die Auflösung der Staatsfirma durchzusetzen und zum Konkursverwalter der Kleiderfabrik ernannt zu werden.

„Eine solche Verbindung verlangt geradezu danach, die Belange des Staates zu vernachlässigen“, schließen die Prüfer. In einem ähnlichen Fall in Lodz kostet diese Nachlässigkeit das Industrieministerium mehrere hunderttausend Mark — der Direktorliquidator privatisierte das ihm anvertraute Staatsunternehmen, indem er es fast umsonst seiner vorher gegründeten Privatfirma einverleibte. In einigen Fällen erwarb das Industrieministerium auch selbst Anteile an solchermaßen privatisierten Betrieben, die Beteiligungen wurden allerdings so nachlässig verbucht, daß sich die Prüfer nicht imstande sahen, den Verbleib der Dividenden zu klären.

Die Ergebnisse der Untersuchung belasten im Nachhinein besonders Ex-Industrieminister Mieczyslaw Wilczek (damals Mitglied der PVAP), in dessen Amtszeit die meisten dieser „wilden Privatisierungen“ fallen. Das Ministerium hörte jedoch keineswegs auf, positive Bescheide für zweifelhafte Betriebsauflösungen auszustellen, nachdem der Krakauer Oppositionelle Tadeusz Syryjczyk unter Premier Mazowiecki Wilczek abgelöst hatte.

Das Finanzministerium hatte zwar schon 1987 eine Verfügung herausgegeben, in der detailliert die Bewertungsgrundsätze für Sacheinlagen beschrieben wurden — aber nur für ausländische Beteiligungen. Ein Fall, in dem eine ausländische Einlage unterbewertet wurde, ist bisher auch nicht bekannt geworden. Wenn nun Joint-ventures in vielen Fällen auch kein technologisches Know-how exportiert haben, so sind in den letzten Monaten doch schon einige Erkenntnisse der westlichen Weiße-Kragen-Täter an ihre polnischen Kollegen weitergegeben worden: Die Gefrierfachexperten von Allenstein fanden noch eine weitere Möglichkeit, den Staat um seine Kapitalverzinsung zu bringen — in dem sie die Berechnungsgrundlage beseitigten.

In einer perfekten Bilanzfälschung westlichen Stils gründeten sie eine Privatfirma, deren einziger Zweck darin bestand, eine Kühlhalle zu übernehmen, um sie anschließend der Staatsfirma wieder zu vermieten. Dies alles zeigt nach Ansicht von Experten, daß das bisher geltende Joint- venture-Gesetz zwar recht erfolgreich seriöse Investoren abschreckt, Spekulanten und Krisengewinnler jedoch geradezu magisch anzieht. Deshalb soll es jetzt geändert werden.