Südafrikas Regierung im Spagat

Dem Parlament wird ein Weißbuch zur Abschaffung zentraler Apartheid-Gesetze vorgelegt — gleichzeitig verhängt die Regierung über Soweto und andere Townships den Ausnahmezustand  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Südafrikas Regierung hat gestern dem Parlament ein Paket von Gesetzesvorschlägen vorgelegt, um die Anfang Februar von Präsident Frederick de Klerk angekündigte Abschaffung von Apartheid-Gesetzen zu realisieren. Die Landgesetze von 1913 und 1936, die 87 Prozent der Landfläche für Weiße reservierten, sowie der Group Areas Act, der Rassentrennung in Wohngebieten festlegt, sollen abgeschafft werden. Doch das Weißbuch der Regierung schließt eine Umverteilung von Land durch Beschlagnahmung oder Nationalisierung aus.

Im Abschnitt zur Landreform schlägt das Weißbuch vor, Diskriminierung beim Kauf von Land in Wohn- und Landwirtschaftsgebieten zu beenden. Weiter werden der Schutz von bestehenden Grundrechten, die Kontrolle von Verstädterung und die staatlich geförderte Etablierung von Kleinbauern genannt. In einem Vorwort nennt Präsident de Klerk die vorgeschlagene Landreform einen „historischen Wendepunkt in der Geschichte Südafrikas“. Ziel der Reform sei es, „allen Bürgern diese Landes Recht geschehen zu lassen, was die Landrechte betrifft, und die Chancen aller auszuweiten“.

Oppositionsgruppen haben allerdings schon seit einiger Zeit gewarnt, daß nur wenige Schwarze die wirtschaftlichen Mittel haben, um sich auf dem freien Markt Land anzuschaffen, und fordern staatliche Hilfe bei der Umverteilung von Land. „Die Regierung ist vollkommen gegen jegliche Form der Umverteilung landwirtschaftlichen Bodens“, heißt es dazu in einer Regierungserklärung vom Dienstag.

Stattdessen wird lediglich betont, daß in Zukunft alle Südafrikaner Zugang zu Landwirtschaftssubventionen und -krediten haben sollen. Auch der Privatsektor und ausländische Entwicklungsorganisationen sollen hier eine Rolle spielen. Zusätzlich plant die Regierung, staatliches Land für Kleinbauern zu entwickeln, die ihre Parzellen nach etwa 15 Jahren vom Staat kaufen können. Ein großangelegter staatlicher Ankauf von Land zu diesem Zweck wird allerdings nicht in Aussicht gestellt.

Auch was die Rückgabe von Land betrifft, das im Zuge der Zwangsumsiedlungen der letzten Jahre Schwarzen abgenommen wurde, bleibt die Regierung hart. Das sei „nicht durchführbar“, heißt es in dem Weißbuch, da es zu endlosen Konflikten führen könnte.

Das Weißbuch bemüht sich, die Sorgen von Weißen zu beruhigen. Bestehende Landrechte werden ausdrücklich garantiert — kein weißer Farmer muß befürchten, daß seine Farm beschlagnahmt wird. Und die Abschaffung der Rassentrennung in Wohngebiete müsse ein „eigenes Gemeinschaftsleben“ nicht gefährden, heißt es. Um dafür zu sorgen, wird eine „Gemeinschaftsautonomie“ in Aussicht gestellt, die einzelnen Kommunen die Möglichkeit geben soll, „die größtmögliche Verantwortung für die Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten“ zu tragen.

Weiße Farmer, die meist ultrarechte Parteien unterstützen, haben schon heftige Proteste gegen die Abschaffung der Landgesetze angekündigt. Für Schwarze ist andererseits eine Umverteilung des Landes unabdingbar.

Angesichts der blutigen Unruhen, bei denen nach der jüngsten Bilanz seit Sonntag 65 Menschen getötet wurden, hat die südafrikanische Regierung sechs schwarze Townships bei Johannesburg zu „Unruhegebieten“ erklärt und eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 21.00 und 4.00 Uhr verhängt. Es handelt sich um die Townships Soweto, Dobsonville, Diepkloof, Meadowlands, Alexandra und Tembisa.

In „Unruhegebieten“ hat die Polizei Sondervollmachten zur Durchsuchung und Verhaftung von Menschen. So ist auch vorgesehen, Inkatha-Kämpfern das bisher erlaubte Tragen „traditioneller Waffen“, wie Säbel und Messer, zu verbieten. Die Maßnahme folgt auf einen Aufruf von ANC und Inkatha, Soldaten gegen die Unruhen in Alexandra einzusetzen. ANC-Sprecher Popo Molefe kritisierte die Regierungsentscheidung und sagte, die Bewohner Alexandras würden Soldaten mehr trauen als Polizisten.