Baker und Schamir wollen handeln

■ USA und Israel sind sich einig, daß eine Verständigung mit den Palästinensern parallel zu Verhandlungen mit den arabischen Nachbarstaaten Israels erfolgen soll/ Baker betont optimistisch

Jerusalem (dpa/taz) — US-Außenminister James Baker und Israels Ministerpräsident Jizchak Schamir sind bei ihrem ersten Treffen nach Beendigung des Golfkrieges übereingekommen, daß die Verständigung zwischen Israel und den arabischen Staaten parallel zu den Bemühungen um eine Lösung des Palästinenserproblems laufen müßten. Über diese allgemeine Stellungnahme hinaus, wurden im Verlauf des Dienstags kaum Details aus dem mit Spannung erwarteten Gespräch bekannt.

Nach der Rede von US-Präsident Bush zum Ende des Krieges, in der er Israel dazu aufgefordert hatte, „Land gegen Frieden“ zu tauschen, hatte der israelische Außenminister Levy zugegeben, daß es zwischen beiden Regierungen in dieser Frage einen offenen Dissens gebe.

Schamir und Baker begannen ihren Meinungsaustausch am Morgen mit einem einstündigen Gespräch ohne Berater. Dabei hätten beide Politiker darin übereingestimmt, daß jetzt die Zeit zum Handeln im Nahen Osten sei, meinte der Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten, Pasner, anschließend. Schamir bat Baker, sich bei den heute beginnenden Gesprächen in Damaskus um die Freilassung von insgesamt sieben israelischen Soldaten einzusetzen, die seit Jahren im Libanon oder Syrien vermutlich von schiitischen Fundamentalisten festgehalten werden. Am späten Montag abend hatte sich Baker nach einem Gespräch mit Außenminister David Levy „vorsichtig optimistisch“ über die Aussichten auf eine Beendigung des Nahost- Konflikts geäußert. Bei seinen Treffen mit arabischen Politikern am Golf und in Kairo habe er „ein neues Denken“ festgestellt. Ein Erfolg der amerikanischen Vermittlungsbemühungen hänge „zu einem wesentlichen Teil davon ab, daß jetzt auch Israel eine ähnlich konstruktive Haltung zeigt“.

Levy, der die Gespräche mit Baker als „offen und konstruktiv“ bezeichnete, zeigte sich nach dem Treffen zufrieden. Baker habe von seiner Reise an den Golf und nach Kairo „ermutigende Zeichen“ mitgebracht. „Bis heute haben die arabischen Länder stets abgelehnt, mit Israel an einem Tisch zu sitzen. Ich bin glücklich, daß wir jetzt den Anfang einer Veränderung sehen“, sagte der Minister, und: „Wir werden hart arbeiten müssen, um das beste Ziel von allen, den Frieden, zu erreichen.“

Baker, der nach eigenen Angaben „einige neue Ideen“ mit in den Nahen Osten gebracht hat, drängte „alle Parteien“, nicht in festen Positionen zu verharren: „Wir werden keine Fortschritte erzielen, wenn eine Seite sagt, ,wir bewegen uns nicht, bevor nicht die andere den ersten Schritt macht‘.“ Bei seinem Gespräch mit Levy, so betonte Baker, habe er „diese Haltung allerdings nicht entdeckt“.

In diesem Zusammenhang forderte der amerikanische Politiker die israelische Führung auf, ihren Friedensplan von 1989 zu überarbeiten, da er einige Details enthalte, die „wir sehr positiv beurteilen“, und mit denen „beide Seiten leben können“. Der entspannt wirkende US-Außenminister bekräftigte, daß Washington keine wirtschaftlichen Druckmittel einsetzen werde, um Jerusalem an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Überzeugungsarbeit im Hubschrauber

Nach seinem Gespräch mit Schamir traf der US-Außenminister mit Verteidigungsminister Mosche Arens zusammen, bevor er mit einem Hubschrauber zu einem Rundflug über Israel und die besetzten Gebiete abhob. Der sonst eher kühle James Baker geriet nach seinem Jungfernflug über das Heilige Land unerwartet ins Schwärmen. „Mir war“, so sagte er vor jüdischen Einwanderern aus der Sowjetunion in der Stadt Carmiel, „als hätte ich das alles schon einmal gesehen“. An der Seite des Panzergenerals Jossi Ben-Chanan, flog er über den jüdischen Staat. Ein Programmpunkt, den die Gastgeber geschickt gewählt hatten, um dem an amerikanische Dimensionen gewöhnten Texaner die Problematik der geostrategischen Lage Israels aus der Vogelperspektive zu demonstrieren.

Baker war beeindruckt, als der Hubschrauber auf der Höhe der Stadt Natania zwischen dem Mittelmeer und der 13 Kilometer entfernten Grenzlinie zum Westjordanland hin und her flog. Eine Linie, die nach arabischen Vorstellungen künftig Israels Landesgrenze sein soll. Der Wettergott stand den Israelis bei. Denn glasklare Luft ermöglichte Baker, der minutenlang über Jerusalem Ausschau hielt, einen tiefen Einblick ins Nachbarland Jordanien, bis zu den jordanischen Bergen. Ein Blick, der die Haltung der Regierung illustrieren sollte, daß Jerusalem angesichts solch kurzer Distanzen einfach nicht auf die besetzten Gebiete als Pufferzone verzichten kann.

PLO für Gespräch Baker—Palästinenser

Die Gruppe von Palästinenser-Führern aus den besetzten Gebieten, die anschließend mit Baker zusammentraf, trat nicht als „amtliche PLO“ auf, hatte für die Gespräche mit Baker jedoch das Okay der PLO- Zentrale in Tunis erhalten. Auch wenn der US-Außenminister beteuerte, dieses Treffen bedeute „keine Wiederaufnahme des Dialogs mit der PLO“, gilt die Palästinenser- Gruppe mit Feisal Husseini an der Spitze, in Israel als eng mit der PLO verbunden. Das Dokument, das sie dem US-Außenminister übergaben, betont auch nachdrücklich, daß die PLO die einzig legitime Vertreterin der Palästinenser ist und Verhandlungen zur Lösung des Konflikts mit der PLO geführt werden müssen. Daneben fordert das Dokument, daß Israel das Prinzip „Land für Frieden“ auf Basis der UN-Resolutionen 242 und 338 anerkennen und anwenden muß, da dies der einzig mögliche Weg zu dauerhaftem Frieden sei.

Yassir Arafat erklärte indessen in Tunis gegenüber dem US-Fernsehsender CBS, daß seine Organisation bereit sei, den Dialog mit den USA aufzunehmen, wenn diese auch von Washington gewünscht werde. „Wir bitten keineswegs um die Entsendung einer Armada oder von General Schwarzkopf“, sagte der PLO-Führer. „Wir wollen lediglich, daß Israel dazu gebracht wird, die UN-Resolutionen und das Völkerrecht anzuerkennen.“

Unter den Palästinensern in den besetzten Gebieten ist das Treffen mit Baker heftig umstritten, denn die allgemeine Stimmung ist noch sehr stark anti-amerikanisch. Seit Mai vorigen Jahres hat die palästinensische Führung hier den Boykott von US- Institutionen propagiert, und keineswegs alle sind nun mit dem Beschluß einverstanden, Baker zu treffen. So vertritt die palästinensische Delegation auch nur einen Teil der in der PLO vertretenen Organisationen, namentlich der Fatah von PLO-Chef Arafat, der palästinensischen KP und einem Teil der „Demokratischen Front“, die sich vor einigen Monaten gespalten hat. Nicht vertreten ist der andere Teil der „Demokratischen Front“ sowie die „Volksfront zur Befreiung Palästinas“, die demonstrativ gegen eine Zusammenkunft mit Baker unter den gegenwärtigen Umständen Stellung bezog. Der der „Volksfront“ nahestehende Ost-Jerusalemer Palästinenserführer Riad el Malki boykottierte deshalb die Zusammenkunft mit dem US-Außenminister.

Als Protest gegen den Baker-Besuch organisierte auch die fundamentalistische Hamas-Bewegung einen Generalstreik in den besetzten Gebieten. Hamas bezeichnete in Flugblättern Leute, die mit Baker zusammenkommen als „Verräter und Agenten der USA“. Doch auch Palästinenser, die weder zu Hamas noch zur Volksfront gehören, kritisieren die PLO-Führung in Tunis für ihre „versöhnlerische“ Haltung und das „schamlose Sich-Anbiedern“, während Washington eine scharfe Kampagne gegen die PLO führt. Amos Wollin