Gericht rettet Ehre der Bundeswehr

■ Oberlandesgericht Frankfurt hebt Soldaten-Urteil als „rechtsfehlerhaft“ auf/ Stoltenberg erleichtert

Berlin (taz) — Im Bonner Verteidigungsministerium müssen gestern die Sektkorken geknallt haben: Das „Schandurteil“ des Frankfurter Landgerichtes, mit dem am 20.0ktober 89 der Arzt Peter Augst vom Vorwurf der Verleumndung freigesprochen wurde, ist am Montag von der Revisionsinstanz aufgehoben worden. Augst hatte vor über sechs Jahren bei einer Podiumsdiskussion einem Jugendoffizier der Bundeswehr entgegengehalten: „Jeder Soldat ist ein potentieller Mörder“. Jugendoffizier Witt sah sich persönlich beleidigt, zog vors Gericht — und anschließend gegen den Freispruch von Instanz zu Instanz. Das Oberlandesgericht in Frankfurt beugte sich nun mit der Aufhebung des Freispruches der Lobby der Bundeswehr. Von Kohl über den Generalinspekteur der Bundeswehr bis hin zu Verteidigungsminister Stoltenberg rief der Freispruch bei den Bundeswehrfreunden helles Entsetzen hervor. „Mordsrichter“ hatte Ex-Verteidigungsminister Scholz die Richter tituliert. Zwar hatte das Landgericht am Tatbestand der Beleidigung keinen Zweifel gelassen; doch wertete das Gericht, das in den Wochen vor der Verhandlung zahlreiche Drohbriefe erhalten hatte, das Recht auf Meinungsfreiheit höher als eine mögliche Beleidigung der Militärs: deshalb Freispruch.

Dieser Argumentation wollte das Oberlandesgericht nun keinesfalls folgen. „Rechtsfehlerhaft“ soll das Urteil schon deswegen sein, weil es lediglich „abstrakte Rechtsgüter“ gegeneinander abgewogen habe. Die Vorinstanz hätte vielmehr ausführen müssen, welche “konkreten Interessen“ der Angeklagte geltend machen könnte, wenn er den Bundeswehroffizier attackierte. Vor dem Freispruch hätten die Richter zudem prüfen müssen, ob Augst seine Meinung nicht auch in einer “schonenderen Form hätte anbringen können“. Deshalb: Freispruch aufgehoben.

Die Posse, die bereits 1931 mit Tucholskys Satz „Soldaten sind Mörder“ die Gerichte beschäftigte (und mit einem Freispruch endete) geht nun in die sechste Runde. Denn jetzt muß das Frankfurter Landgericht erneut verhandeln. Der Beifall der Herren Scholz, Stoltenberg und aller, die schießen können, ist dem Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung gewiß: Die Bundesregierung, so Stoltenberg nach dem Urteil, sehe sich in ihrem Eintreten für den Ehrenschutz der Bundeswehr bestätigt. Wolfgang Gast