: Hörspiel: Der neue Minister
■ Realpolitische Satire aus Bonn/ Herr Schmitt-Bickelmann und die Probleme des Ostens
Reporter: Meine Damen und Herren, „Bericht aus Bonn“ stellt Ihnen heute den neuen Minister für die Probleme der deutschen Einheit vor. Guten Abend, Herr Schmitt-Bickelmann.
Schmitt-Bickelmann: Sie können den Doktor ruhig weglassen.
Herr Dr. Schmitt-Bickelmann...
Wie gesagt: Das ist wirklich nicht nötig.
...Sie sind als neuer Minister für die Probleme der deutschen Einheit zuständig für einen Komplex von Fragen, die der gesamten Nation unter den Nägeln brennen.
Zuerst möchte ich all den Mitbürgern danken, die sich seit dem 3. Oktober des Schicksalsjahres 1990 unermüdlich für unser vereintes Deutschland und damit für unsere Brüder und Schwestern aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik einsetzten... ah, und auch heute noch einsetzen...
Nun sind ja die Nachrichten aus den fünf neuen Bundesländern nicht die besten. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Investitionstätigkeit läßt sehr zu wünschen übrig...
Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen beziehen, welche Zeitungen Sie lesen. Ich jedenfalls bin der Meinung, daß die Einigung ein voller Erfolg in den Herzen unserer Menschen war und immer sein wird, bis...
Entschuldigen Sie, daß ich Sie gerade hier unterbreche. Aber es ist doch auch so, daß...
...bis daß auch der letzte Nörgler begriffen hat, daß die Vereinigung der beiden deutschen Staaten eine unabdingbare...
Da wird Ihnen bestimmt jeder zustimmen, aber was wollen Sie und Ihr Ministerium gegen das neue West-Ost-Gefälle tun? Wie wollen Sie verhindern, daß die neuen Bundesländer zum deutschen Armenhaus werden?
Da muß ich Ihrer Frage aufs energischste widersprechen. Noch gestern sagte der Bundeskanzler in einer vertraulichen Runde zu mir: Da drüben, sagte er, da drüben rollt doch der Rubel, oder?
Und, was haben Sie da gesagt?
Wer? Ich?
Wer sonst?
Was glauben Sie denn, was ich gesagt habe?
Herr Minister!
Jaaa, Herr Pleitgen.
Mein Name ist Lueg, Herr Minister.
Das ist ja hochinteressant: Dann sind Sie also gar nicht der Herr Pleitgen?
Nein, Herr Minister. Aber um es noch mal auf den Punkt zu bringen: Die Konjunktur in den neuen Bundesländern geht weiter zurück. Wir haben eine unverhältnismäßig hohe Arbeitslosenrate dort. Es gibt keine Lehrstellen. Die soziale und die medizinische Versorgung sind ins Gerede gekommen.
Guter Mann, wo haben Sie denn diese Schauermärchen her?
Das steht in allen Zeitungen, Herr Minister.
Lieber Herr Nowottny...
Lueg, bitte!
Dr. Lueg?
Nein.
Warum nicht?
Ich bin Journalist.
Weiß Nowottny davon?
Wovon?
Daß Sie nicht einmal Ihren Doktor haben.
Ich glaube nicht, daß das unsere Zuschauer sehr interessiert.
Sie wollen also wissen, wie ich über die Situation in den fünf neuen Bundesländern denke, stimmt das so?
Bei einem Minister für die Probleme der deutschen Einheit ist das doch nicht eben verwunderlich, oder?
Sie, ich kenn doch meine Pappenheimer. Ich soll also auspacken?
Wenn Sie es so nennen wollen.
Das glaube ich, daß Sie das wollen.
Also bitte, die Leute warten auf den Spielfilm.
Na, dann schalten Sie mal ihr Gerät da ab!
Wie bitte?
Sie sollen Ihren Krimskrams da abstellen, sagte ich.
Jungs, stellt mal die Kamera und den Ton ab! Danke, Leute. So, Herr Schmitt-Bickelmann, bitte schön.
Was ich Dir jetzt sage, Nowottny, solltest Du Dir hinter die Ohren schreiben! Der Sachse ist von Natur aus ein Faulenzer.
Ich versteh nicht...
Mein Gott, haben Sie schon mal einen Sachsen gesehen, der arbeitet? Mal ehrlich!
Also ich weiß nicht, ob man so an das Problem herangehen kann...
Also nicht. Pleitgen, ich sage Ihnen noch was: Die Brüder da drüben, die müssen doch erst mal lernen, wie man richtig arbeitet.
Herr Minister Schmitt-Bickelmann, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die DDR die führende Wirtschaftsmacht in Osteuropa war und...
Papperlapapp. Die Russen sind immer am Saufen, und die Polen denken nur ans Fressen. Kein Wunder, daß die Zonis da das eine oder andere krumme Geschäft machen konnten.
Das sind harte Vorwürfe...
Nun, tun Sie doch nicht so, das weiß doch jeder.
Soll das heißen, daß Sie die Politik Ihres Ministeriums an solchen Verallgemeinerungen orientieren wollen?
Auf keinen Fall darf man den Drückebergern auch noch Vorschub leisten.
Sieht das der Kanzler auch so?
Ach der, der weiß doch nicht, was wirklich los ist da draußen. Bickelmännchen, hat er gesagt, Bickelmännchen mach mir keinen Ärger im Osten.
Was befähigt Sie eigentlich zu diesem wichtigen Amt?
Na, was wohl?
Ja, das fragen wir uns auch.
Dann werde ich es Ihnen sagen: Ich bin der einzige, vor dem die Brüder da drüben Respekt haben.
Sie haben sich also schon des öfteren auf dem Gebiet der fünf neuen Bundesländer aufgehalten?
Ich? Nee? Wieso?
Wie kommen Sie dann auf diese zweifelhafte Qualifikation?
Ich will ihnen eine kleine Geschichte erzählen, Herr Höfer. Autobahn A5, Kassel in Richtung Frankfurt. Oder war es in der Gegenrichtung? Is ja auch egal.
Herr Minister, ich glaube, das bringt nicht mehr allzuviel.
Auf jeden Fall Höhe Alsfeld. Regennasse Fahrbahn. Ich mit meinem Daimler sechs null null lockere 190 drauf. Da schert doch etwa 500 Meter vor mir so ein Plastiktrabi von der rechten auf die mittlere Spur. Will einen braven VW Käfer überholen, dieser Simpel.
Herr Minister, wir wissen schon, was jetzt kommt.
Ich denke ja nicht daran, wegen dem LPG-Bauern vom Gas runterzugehen. Und die Spur wechsel ich wegen dem erst recht nicht. Ich halte also drauf.
Sie reden sich hier um Kopf und Kragen, Herr Minister.
Nicht daß Sie meinen, ich drücke da gleich auf die Lichthupe! Man muß diese Schleicher überraschen, sie sollen einen Schreck bekommen und dabei auch was lernen. Also ran bis auf halbe Tachodistanz. Dann Lichthupe, und wenn er am Rückspiegel klebt, dauerhupen. Der flog nur so auf die Standspur raus, kann ich Ihnen sagen. Ob der sich überhaupt jemals wieder auf eine Autobahn traut, ist fraglich, Meister.
Sie sind der falsche Mann für dieses Ministerium!
Sie glauben doch nicht etwa, ich sei voreingenommen? Mein lieber Mann, da kennen Sie mich schlecht. Das sind beileibe nicht alles Trottel da drüben. Dieser de Maniere oder wie der kleine Kerl heißt, das war einer, der hat sich nach seiner Arbeit abends hingesetzt und gebüffelt. Dann hatte er früher mal einen Bruder bei der Bundeswehr. Und so hat er sich langsam hochgearbeitet. Manche von denen sind ja unglaublich zäh. Ja, das macht die Luft da drüben. Unsereiner würde kaum überleben in dem Ruß...
Herr Minister, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Aber ich habe Ihnen doch noch gar nicht von meinem Schwager in Halle erzählt. Dem habe ich die Polonäse Blankenese beigebracht...
Von Wolfgang Brenner
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