Die Firma dankt

■ Suchen Sie ein Werbepräsent? Finden Sie Egon E. — Er hat 35.000 davon!

Und was sollen zum Beispiel unsre Anzeigenkunden zu Ostern bekommen? „Hm“, sagt Egon E., „Zeitung, Zeitung...Ein Schreibgerät?“ Aha, achso. Wie, was es kosten darf? Na, 50 Mark (schluck)! Ja, da hat E. schon „Hochwertiges“ zu bieten. Daß ich aber einen Firmenaufdruck in Gold wünsche, davon empfiehlt er mir abzusehen. „Sonst benutzen die das nämlich nicht!“

Egon E., Spezialist für Werbepräsente, ist ein kleiner Herr der Kompaktklasse, sparsam gebaut, ein Cityflitzer mit Glatze und Schnauzbart. Was er nicht hat, wird er beschaffen. Unweigerlich findet in seinem Arsenal von 35.000 Artikeln der Werbezweck sein schicksalhaftes Mittel, selbst wenn Egon E., Besitzer zahlreicher Ideen und mehrerer Patente von Nebenberuf, es erst erfinden muß.

„Ein Heizkissen“, sagt er und wirft mir ein kleines Papiertütchen zu. „Schieben Sie's in die Hosentasche, da wird Ihnen warm.“ Wirklich wahr! Wie das? Hat er, mit einem Chemiker, selber entwickelt: Innendrin ist Metallmehl. Kaum reißt man das Säckchen aus der Plastikhülle, oxidiert schon das Mehl und spendet von selber Wärme, zirka sechs Stunden lang. Früher war das ein Hit, und alle Firmen, besonders Tiefkühlgerätehersteller, wollten's haben. „Mit uns kriegen Sie keine kalten Füße!“ und so.

Sonst hat er zahllose Zulieferfirmen zur Hand, die ihm Brieftäschchen und Uhren und T-Shirts nach Wunsch fertigen. Und Egon E. ist ganz der Mann, der garantiert alles verkauft, was sich verschenken läßt. Aber je nachdem. Dem Taxiunternehmen besorgt er Modellautos und der Gabelstaplerfirma kleine Gabelstapler. Und, immer zu haben und ganz und gar zeitlos: Uhren über Uhren für alle Fälle. Der letzte cri: überm Zifferblatt drehn sich durchsichtige Scheiben, mit Firmenlogo drauf, als Sekundenzeiger. E. hat Musterkoffer voll davon, und die meisten selber entworfen.

In seinem Büro die Vitrinen beherbergen eine sonderbare Kollektion: Segelschiffchen ganz aus Glas in Buddeln, die man nachher drumrumgeblasen hat (100 bis 300 Mark), daneben ein Turm von Aschenbechern, ein Alkoholtester mit elektronischer Promille-Anzeige, umgeben von allerlei schmucken Flachmännern. „Mein Schlager!“ sagt Egon E.

Im Katalog zeigt er mir schwergüldene Wetterstationen (mit Kurvenschreiber) für 18.000 Mark, „dafür muß aber schon mal ein Stahlhändler einen 100-Millionen-Auftrag kriegen“. Teurer hat er's nun wirklich nicht, aber abwärts reicht die Spanne bis zum „Streuartikel“, dem gefüllten Bonbongläschen beispielsweise „für die Sekretärin“. Und den altgedienten 30-Pf-Kugelschreiber hat er, Ehre dem Klassiker, natürlich auch.

Die ernsthaft teuren Schocker über 1.000 Mark machen ohnehin kaum ein Prozent von Egon E.s Umsatz. Schreibgerätschaft aller Art und Uhren kommen auf je ein Viertel; die unverwüstlichen T-Shirts, als Werbefähnchen in jeden Wind zu hängen, flattern bei etwa zehn Prozent.

Nun zirkuliert aber zumindest das gemeine Werbepräsent in einem endlosen, verschämten Kreislauf des Zusteckens, und die Verlustquote ist enorm. Gibt es Regeln dafür, was ankommt? Gibt es überhaupt nicht, sagt Egon E. Das ist nun mal „individuell“: Dem Light-Bier was Campingmäßiges (windstabile Frisbee-Scheibe mit Löchern, selbsterfunden), dem Öko-Yuppie die selbstverrottende Zettelbox (neuester Trend). „Kann ja keinen Standard geben“, sagt Herr E., „sonst verkaufen Sie an 200 Kunden dasselbe, und die beschenken sich dann gegenseitig.“

Bloß kompakt sollte das Präsent schon sein. Hat er nicht doch neulich, mal wieder auf Messe, einen irdenen Ballon mit Schnaps gekriegt, zu groß für den Aktenkoffer, ha!, am nächsten Stand war er ihn los.

Im übrigen, sagt E., ist die Fluktuation in der Branche enorm. Einmal im Monat räumt er seine Vitrinen durch, „die Kunden wollen ja immer“, sagt E., „was die andern noch nicht haben“. Die vier Bremer Banken etwa, die er beliefert, die beäugen einander ganz genau. Umso fixer muß er auf Stand bleiben; was aus dem Angebot fällt, geht gegen Weihnachten „waschkorbweise an Kindergärten und Behindertenhäuser und so.“

Gibt es Trends? Nur einen, sagt Herr E., den zum Teuren. Was ihm, weil die Firmen sowieso mit einer fixen Summe ankommen, prinzipiell egal ist: für 30.000 Mark Streichholzbriefchen oder zwei Armleuchter — ist alles eins, wenn man das Näschen hat und schon immer ein Erfinder gewesen ist.

Manfred Dworschak