Nur zum Telefonieren ist ISDN viel zu teuer

Das Bürgergutachten zur Datenautobahn der Post kommt ein bißchen spät/ 500 Laientester probten die neuen Technik  ■ Von Frank Holzkamp

Die Deutsche Bundespost Telekom ist ein gebranntes Kind. Nach dem Flop Bildschirmtext, kurz Btx, für den sich auch zum zehnjährigen Jubiläum nur knapp 300.000 statt der prognostizierten drei Millionen Teilnehmer finden lassen, will man es bei der Einführung des ISDN besser machen. Geht es doch um nicht weniger, als das gesamte Fernmeldenetz so umzurüsten, daß Telefonieren, Bildtelefonieren, Faxen und Datenübertragen über eine einzige Leitung zum Teilnehmer möglich wird. Und das alles in digitaler Qualität, daher auch der Name: dienstintegriertes, digitales Netz. Ein milliardenschweres Jahrhundertwerk, allerdings — ob die Kunden das ISDN überhaupt wollen, hatte die Telekom bislang nicht weiter interessiert.

Dabei macht das neue Netz vorwiegend Negativschlagzeilen: Ungeklärte Fragen des Datenschutzes und der sozialen Verträglichkeit tragen ebenso zu Verunsicherung bei wie Meldungen über technische Probleme in den Vermittlungsstellen. Wohl vor diesem Hintergrund gab die Telekom bei der Uni Wuppertal das „Bürgergutachten ISDN“ in Auftrag, dessen Ergebnis jetzt vorliegt. Im vergangenen Jahr hatten, auf 20 Städte verteilt, insgesamt rund 500 Laientester die Gelegenheit, unter sachkundiger Anleitung die neue Technik auszuprobieren. In Workshops und Diskussionsrunden wurde dann das Für und Wider abgewogen — ausdrücklich sollten auch kritische Stimmen zu Wort kommen. Das Institut für Informationsökologie (IKÖ) um den ISDN-Gegenpapst Herbert Kubicek hatte eine Einladung der Uni Wuppertal allerdings ausgeschlagen. Eva Emmenlauer von der Berliner IKÖ-Sektion begründete die Absage damit, bei dem Gutachten handele es sich „um ein aufgesetztes Verfahren, nachdem wesentliche Entscheidungen schon gefallen sind“.

So ist, Bürgermeinung hin oder her, die Umrüstung aller Vermittlungsstellen auf die computergerechte Technik bereits in vollem Gange. Das ISDN soll bis 1993 in den alten Bundesländern flächendeckend verfügbar sein, aber auch dann kann man sein altes Telefon weiter benutzen — immerhin kostet ein ISDN-Basisanschluß alleine an monatlichen Grundgebüren über 70 D-Mark.

Die Telekom hat also allen Grund, sich über die Marktakzeptanz des neuen Mediums Gedanken zu machen, denn trotz der Abwesenheit des IKÖ sind aus den Bürgergutachtern keineswegs ISDN-Fans geworden. Zwar kamen die Arbeitsgruppen zu dem Ergebnis, daß ISDN für den Geschäftsbereich einiges zu bieten hat, bei der von der Telekom so heiß ersehnten Nutzung im Privaten überwiegt aber die Skepsis. So stößt die Absicht der Telekom, die Verbindungsdaten zu speichern, auf wenig Gegenliebe. Wer mit wem wann und wie lange Verbindung hatte, diese Angaben bleiben bis 80 Tage nach Absenden der Telefonrechnung im Postrechner abrufbar, potentiell auch für Behörden und Geheimdienste.

Die um ihre Anonymität bangenden Bürgergutachter empfehlen, die Nummer des Angerufenen nur verkürzt zu speichern und die Verbindungsdaten unmittelbar nach Rechnungsstellung zu löschen. Auch ein anderes ISDN-Merkmal, die Rufnummernanzeige, bei der die Nummer des Anrufenden auf einem Display auf dem Apparat des Angerufenen erscheint, fand nicht nur Beifall. Abschaltbar sollte dieser Service gestaltet werden, um beim Telefonat z.B. mit einer Beratungsstelle die eigene Identität schützen zu können.

An der Hardware für die schöne, neue Welt des ISDN-Telekommunizierens wurde bemängelt, daß die Apparate zu teuer und zu kompliziert zu bedienen sind. Viele Gedanken scheint man sich bei den Herstellern nicht gemacht zu haben: An den ISDN-Telefonen fehle sogar eine Griffmulde zum Umhertragen. Selbst das große Versprechen vom Bildtelefonieren via ISDN wird die Mehrzahl der privaten Nutzer kaum hinter dem Ofen hervorlocken. Denn für die Übertragung von Bewegtbildern in Fernsehqualität ist selbst die Datenautobahn ISDN zu schmal. Im Angebot sind lediglich griesige Auflösung, schlechte Farben und eine niedrige Bildwechselrate.

Offen ist auch, was die Mehrzahl der rund 30 Millioenn Telefonteilnehmer mit dem als Computernetz konzipierten ISDN eigentlich anfangen soll. Selbst der zur Zeit beliebteste neue Dienst, das Telefax, fand bislang nur 680.000 Anwender — bei allerdings rasanten Zuwachszahlen. Nur zum Telefonieren aber ist das ISDN zu schade und zu teuer. Selbst bei der Telekom räumt man ein, daß entgegen den technikoptimistischen Prognosen die Sprachübertragung noch lange Zeit an erster Stelle stehen wird — dafür reicht aber das bestehende analoge Fernmeldenetz allemal aus.

Finanziert wird der Umbau zum ISDN aus dem Gebührenaufkommen des alten Telefonnetzes — alleine deshalb hätte die Telekom schon wesentlich früher nach den Wünschen ihrer Kunden fragen können. Daß sie es nicht getan hat, legt nahe, daß das „Bürgergutachten ISDN“ ohne bindende Wirkung den gleichen Weg nehmen wird wie andere gute Ratschläge in der Vergangenheit — den in die Schublade.