Hawkwind und Shiny Gnomes

■ Arbeitermusiker

Und so sehen Hawkwind vielleicht aus

Es ist scheußlich, daß man sein ganzes Leben arbeiten muß. Irgendwann haben ein paar Jungs zum Beispiel angefangen; aus Neigung sicherlich und um der jungen Zeit, die um sie herum sich so aufregend bewegte, eine Linie zu geben, an der sich ein jeder festhalten konnte, der drogengeschüttelt, immer noch fröhlich und guter Dinge sein wollte.

Haltepunkte, klare Linien waren gefragt, wenn der Ichverlust auf dem ersten oder zweiten LSD-Trip drohte. Bands wie »Ashra Temple, feat. Timothy Leary« begleiteten verwirrte Drogenesser mit weihevollen Worten - »Hab keine Sorge, hab keine Sorge« - auf ihrer regressiven Reise in die Geheimnisse des Universums; andere wie »Hawkwind« (von denen hier die Rede ist), lieferten - mehr oder minder metaphorisch - Metall oder glitzerndes Silber, in dem sich der Drogen-User spiegeln konnte.

Hawkwind, die sich Ende der 60er Jahre in der »arty« Kunstszene von West-London fanden, hatten 1972 einen Hit, von dem sie immer noch zehren. Im Bandinfo steht zwischen »Silver Machine« und der aktuelle LP nichts:

»Seit 1970 haben Hawkwind eine Reihe erfolgreicher Alben und Singles veröffentlicht, darunter ihre Nr. 1 in den Single Charts 1972 »Silver Machine«, die zusammen mit dem damaligen Neuzugang Lemmy (»Motörhead«) eingespielt wurde.

Nach erfolgreichen Tourneen durch Europa, Kannada und die USA, mehreren Line-up- und Schallplattenfirmenwechseln, legen die legendären Hawkwind nun ihr neuestes Werk »Space Bandits« vor.«

Das klingt schon ein bißchen traurig, nicht wahr, wenn 18 Jahre so plötzlich verschwinden.(und aus welchen Gründen auch immer, die Band wie-sie-heute-aussieht weder auf dem Cover, noch im Bandinfo abgebildet ist) Musiker müssen jedoch wie jeder normale Mensch auch für die Renten- und Krankenversicherung arbeiten und wie jeder arbeitende Mensch hatten sie ein bißchen Spaß, manchmal, aber doch vor allem sehr viel Müh- und Trübsal und würden vielleicht lieber heute als morgen aufhören und machen sich wahrscheinlich inzwischen gar nicht mehr lustig über andere Arbeitermusiker, wie Sweet, Slade, Gary Glitter und beneiden die Puhdys, die sich im letzten Jahr selber abwickeln konnten, weil die soziale Absicherung der Künstler in der DDR besser war, als in England.

Und dann erinnern sie sich doch; und wollen es immer wieder wissen, denn ein bißchen muß man schon glauben an die Arbeit, die man macht. Also imitieren sie sich selbst, zwischen archaischen Bildern - viele Tiere bevölkern den Weltraum - ein bißchen Lärm, und viel Spacesynthesizersound, der mehr oder weniger angestrengt sich mit frühen Pink Floyds verbinden will. Geschlechtslose Stimmen erheben sich aus dem Getöse; tausend Breaks suchen erhaben zu imponieren und: »one day the signs flup, flicke, flicke, flicke, fluck.«

Unter dem Motto »Stop the madness« warnt Hawkwind alle Freunde ihrer Musik vor Drogen: »Drugs are no fun. There are better things to do.« Ist die Band, die immer ein recht präziser Drogenspiegel ihrer Zeit war, zum New-Age-Idiotismus regrediert? - In der Wirklichkeit oder auf der Bühne wird alles anders sein und wenn man sich das Anti-Drogen-Logo auf dem Cover genauer anschaut, erkennt man, daß die unverwüstlichen Psychedeliker sich nicht mit dem bärtigen Innensenator verbrüdern, sondern lediglich etwas gegen »hard drugs« haben. (Dem Herrn Krüger sei gesagt, daß der Herr Lacan, den er so gerne in possierlichen Reden bemüht, um die eigene Belesenheit herauszustellen, ein ganz schlimmer Propagandist der unterschiedlichsten Psychedelika war). Detlef Kuhlbrodt

Shiny Gnomes und Hawkwind spielen um 22 Uhr im Ecstasy