Conti-HV: Bedeutender Etappensieg für Pirelli

■ Hauptversammlung des Reifenherstellers schaffte Höchststimmrecht ab/ Rechnerische Mehrheit gegen Selbständigkeit

Hannover (taz) — Mit dem Ergebnis der Abstimmungen auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Continental AG haben sich am späten Mittwoch abend die Kontrahenten Pirelli und Conti-Vorstand „zufrieden“ gezeigt. „Die Continental bleibt selbständig“, tönte die hauseigene Pressestelle, noch bevor die Stimmen zu diesem Streitpunkt ausgezählt waren. Das konnte sie auch ohne Risiko, denn es hatte gar nicht zur Debatte gestanden, daß die Aktionärsversammlung die Hannoveraner Reifenfirma noch in dieser Woche an Pirelli übergibt.

Wirklich zufrieden mit dem Abstimmungsergebnis kann nur Pirelli sein: Die Stimmrechtsbegrenzung auf höchstens fünf Prozent des Aktienkapitals wurde von den 2.000 AktionärInnen im Hannoveraner Congress Centrum mit 65,97 Prozent der anwesenden Stimmen abgeschafft — gegen das Votum von Conti-Vorstand und Aufsichtsrat, die diese Begrenzung als Schutz vor feindlichen Übernahmen in der Satzung behalten wollten.

Allerdings zeigt gerade der Fall Pirelli/Conti, daß das Höchststimmrecht Übernahmen zwar erschwert, aber nicht unbedingt verhindert. Schließlich ist es den italienischen Strategen gelungen, auf der Versammlung über „befreundete Unternehmen“ eine Stimmenmehrheit zusammenzutragen. Als kleiner Trost in der Niederlage bleibt den Conti- Verantwortlichen, daß der Pirelli- Konzern seine Behauptung, er habe bereits 51 Prozent des Grundkapitals hinter sich, nicht beweisen konnte.

Beim Tagesordnungspunkt 5, bei dem die Aktionäre der Übernahme durch Pirelli hätten zustimmen können, hatte Pirelli-Vertreter Gert Silber-Bonz schon zuvor die Enthaltung seiner Firma plus UnterstützerInnen angekündigt, sodaß nur 4,4 Prozent der abgegebenen Stimmen für diesen Punkt votierten. Satte 46,2 Prozent enthielten sich der Stimme; hätten sie für die Übergabe gestimmt, wäre eine hauchdünne Mehrheit von 50,6 Prozent herausgekommen, allerdings immer noch deutlich weniger als die dafür satzungsmäßig erforderlichen 75 Prozent. Aber Pirelli möchte ohnehin eine „freundliche Übernahme“, die nun durch beide Abstimmungsergebnisse gestärkt wird.

Der Conti-Vorstandsvorsitzende Horst Urban beeilte sich, nach seiner Niederlage das Ergebnis schönzurechnen: Wenn Pirelli tatsächlich 51 Prozent vom Grundkapital kontrollierte, hätte er alle ihm freundlich gesonnen Aktionäre doch mitbringen können. Weil nur 78,8 Prozent des Stammkapitals vertreten waren, hätte Pirelli bei der Abstimmung ein deutlich höheres Ergebnis erzielen müssen, nämlich fast 65 Prozent.

Urban dürfte es inzwischen noch mulmiger zumute sein als im letzten halben Jahr, seit ihm die Offerte aus Italien auf den Tisch flatterte. Zwar wird, durchschaubares Manöver eines Conti-Freundes, die Stimmenbegrenzung bei der nächsten Hauptversammlung am 10. Juli noch nicht vom Tisch sein. Ein Aktionär kündigte Widerspruch an, der aufschiebende Wirkung hat und noch über Jahre vor Gericht verhandeln werden könnte. Doch Pirelli wird sich bis zum Sommer noch weitere Conti- Aktien beschafft haben, einige AktionärInnen dürfen sich über Spekulationsgewinne mit dem kurzfristig steigenden Conti-Papier freuen, Horst Urban muß zusehen, daß er seinen wackelnden Vorstandssessel nach der Schlappe wieder festigt, und Gert Silber-Bonz wird wie angekündigt irgendwann in den nächsten Tagen freundlich, aber in der Sache beinhart, erneut zwecks Übernahmeverhandlungen anklopfen.

Daß Urban seinem Konkurrenten Silber-Bonz die Tür nicht vor der Nase zuknallen wird, deutete Aufsichtsratsvorsitzender Ulrich Weiss, Deutsche Bank, bereits vor der Stimmauszählung an: „Auch wenn Punkt 5 abgelehnt wird, ist es nicht ausgeschlossen, daß Gespräche begonnen werden.“