Milosevics Kompromiß mit der Opposition

■ Mit einer Abschlußkundgebung feierten Zehntausende Belgrader ihren politischen Erfolg

Belgrad (taz) — Nachdem weitere 100 Verhaftete am Donnerstag morgen freigelassen worden waren, beendeten Zehntausende die Dauerdemonstrationen in der serbischen Hauptstadt Belgrad. Die Entlassenen, die von einem Taxiunternehmen kostenlos vom Gefängnis in die Innenstadt gebracht worden waren, wurden von den Demonstranten frenetisch begrüßt. Damit waren nach dem Rücktritt der Führungsspitze des Belgrader Fernsehens und dem angekündigten Rücktritt des Innenministers die wichtigsten Forderungen der Demonstranten erfüllt. Der verhaßte Fernsehintendant Dusan Mitevic wurde durch Radomir Vico ersetzt, der im Gegensatz zu der in der gestrigen Ausgabe der taz veröffentlichten Charakterisierung nicht ein Apparatschik des alten Systems ist. Die abgesetzten populären Sendungen des Belgrader „Studio B“ und des „Jugendradios“ wurden wiederaufgenommen.

Erstmals wird jetzt in Serbien die Frage nach der Verantwortung von Präsident Milosevic gestellt. Der angebotene Rücktritt des Innenministers Bogdanovic sei nicht genug, erklärte der Oppositionspolitiker Zoran Djindic. „Schuld an dem brutalen Polizeieinsatz ist einer, der höher steht.“ Schon in den letzten Tagen zeichnete sich, was die Popularität von Milosevic betrifft, eine Trendwende ab: Nach dem brutalen Polizeieinsatz rückten erstmals viele seiner Anhänger von ihm ab.

Eine entscheidende Rolle bei der Entspannung der Situation spielte die Parlamentssitzung in der Nacht zum Mittwoch, bei der sich Kompromisse abzeichneten. Nach der Sitzung verließen die Vertreter der regierenden Partei gemeinsam mit den Vertretern der Opposition das Parlament und, was noch vor Tagen unmöglich erschien, Dragutin Zelenovic, der Präsident der serbischen Regierung, begab sich zusammen mit dem Vorsitzenden der Demokratischen Partei, Dragoljub Micunovic, zu den demonstrierenden Studenten.

Micunovic, ein Soziologe an der Universität Belgrad, hat anscheinend durch eine Diskussion mit Präsident Milosevic, die am Montag stattfand, den Kurswechsel der Regierung mit vorbereitet. Die Regierung ließ den Vorwurf fallen, die Opposition gefährde die Einheit Serbiens. Als Gegenleistung hat sich die Opposition bereit erklärt, die Konflikte nicht mehr auf der Straße, sondern im Parlament auszutragen. Angesichts dieses Erfolges ist Miconovic bei vielen Bürgern zum Held der Woche aufgestiegen.

Vuk Draskovic dagegen, der Vorsitzende der „Serbischen Erneuerungsbewegung“, der zwar als Opfer der Repression nach seiner Haftentlassung frenetischen Beifall bekam, hat dennoch politisch an Boden verloren. In seinen Äußerungen klang zu viel Parteipolitik durch, die bei den Zuhörern nicht wirkte. Nikola Zivkovic/er