Inoffizielles Hauptthema in Bonn: Fristenlösung für Dienstwagen

■ Die aktuelle Presseschau: Provinzpolitik auf Weltniveau

Das Etikett „Provinzialismus“ hat derzeit Konjunktur — ob in Sachen „weltpolitischer Verantwortung“ deutschen Militärs, ob in Sachen Hauptstadt. Doch gleich wie diese aktuellen Diskussionen auch enden mögen, unter der Decke zeigt sich, daß es sich dabei nicht um eine modische Konjunktur, sondern um eine jederzeit korrekte Zustandsbeschreibung handelt: „Das inoffizielle Hauptthema vieler Abgeordneter während der Haushaltsdebatte war die Frage, ob Bundestagspräsidentin Süssmuth wegen der privaten Nutzung eines Dienstwagens durch ihren Mann zurücktreten solle oder müsse“, meldete die „Zeitung für Deutschland“ (FAZ) gestern auf der Titelseite. In der Tat: Wo Waffenexporte, Steuererhöhungen und Massenarbeitslosigkeit auf der Tagesordnung stehen, wie kann es da für kosmopolitische Landeier ein anderes Hauptthema geben als die Benzinquittungen der zweiten Frau im Staate?

Da hilft auch nicht die Klarstellung der Bundestagsverwaltung, daß Frau Süssmuth für die Privatnutzung des Dienstwagens 1.750 Mark monatlich von ihrer Pauschale abführte; schließlich ist nicht sie, sondern ihr Mann mit dem staatseigenen Mercedes gefahren und hat monatlich sage und schreibe 200 bis 300 Mark für Benzin aus der Bundeskasse erhalten. Keine Frage, hier herrscht dringender Handlungsbedarf.

Der Bundesrechnungshof, weiß die weitblickende Hamburger 'Zeit‘, will im Zuge der „Affäre“ neue „Richtlinien für den Umgang der höchsten Staatsdiener mit den Staatskarossen“ erlassen. Sie werden mit Sicherheit schneller auf den Weg kommen als die Richtlinien für den Rüstungsexport. 'Bild‘: „Trotz Haushaltsdebatte — Finanzminister Waigel (CSU) griff gestern im Bundestag zu 'Bild‘ mit den neuesten Informationen über die Dienstwagenaffäre.“

Nun mag dem obersten Steuerlügner derzeit jedes Ablenkungsmittel recht sein — das Ende einer Dienstfahrt von Herrn Süssmuth gibt dennoch keinen Anlaß für Verschwörungstheorien.

Rita, die Grundehrliche, die Glaubwürdigkeit in Person, stolpert nicht über ideologische Lebensschützer, Berufsvertriebene oder andere Finsterlinge der eigenen Partei. Sie gerät wegen ihres höchst eigenen Provinzialismus ins Schleudern: der piefkehaft kleinkarierten Pfennigfuchserei, mit der ein Ehepaar, das zusammen im Monat 40.000 Mark verdient, noch den letzten Tropfen privat verjubelten Benzins auf die Spesenrechnung setzt. Mag auf dem Globus geschehen was will, Bonn- Oggersheim wird diese Schlappe nicht auf sich sitzenlassen, mit einer knallharten Fristenregelung für Dienstwagen werden die Deutschen künftig Weltspitze sein. Ehrenwort. Mathias Bröckers