Rita Süssmuths Fahrt ins Ungewisse

Bonn (dpa/ap/taz) — In einem Punkt wurden sich die Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestags in ihrer gestrigen Sitzung einig: Die Affäre um den Dienstwagen der Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth soll nun dem Bundesrechnungshof zur Prüfung übergeben werden. Uneinig waren sich die Tagenden allerdings über ihre eigene Bewertung der Vorwürfe gegen Frau Süssmuth. Aus dem ursprünglichen Beschluß des Gremiums wurde der Satz: „Aufgrund der dargelegten Rechtslage und den vorliegenden Erkenntnissen geht der Ausschuß davon aus, daß sich die Bundestagspräsidentin im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen gehalten hat“ nachträglich gestrichen. Einige Mitglieder erklärten, sie hätten dieser Formulierung nicht zustimmen können, weil sie über den Sachverhalt nicht genau unterrichtet seien.

Rückendeckung erhielt die Bundestagspräsidentin unter anderem von Jochen Borchert, dem haushaltspolitischen Sprecher der Unionsfraktion: „Für mich ist die Sache abgeschlossen. Ich sehe keinen Grund für einen Rücktritt der Präsidentin.“ Mehrere Abgeordnete erklärten übereinstimmend, nach ihrem Eindruck habe sich das Ehepaar Süssmuth im Rahmen der geltenden Bestimmungen für die Benutzung von Dienstwagen gehalten. Letztere sollen ebenfalls in die Untersuchung des Bundesrechnungshofes miteinbezogen werden. Bis Mai soll ein Ergebnis vorliegen. Aufgrund der langen Prüfungsdauer zweifelten einige Abgeordnete, ob die öffentliche Debatte über die Präsidentin aufhört.

Scharf geschossen wurde aus den Reihen der CSU. Mit ihrem Verhalten in der Dienstwagenaffäre habe sie dem Ansehen des Parlamentes schwer geschadet, sagte der CSU- Abgeordnete Günther Müller. Selbst wenn keine rechtlichen Verstöße vorlägen und es legitim sei, drei Dienstwagen zu fahren, wovon der dritte vom Ehemann in Neuss gesteuert werde, so erinnere dies eher „an Feudalzeiten“. Entsetzt über die Angriffe gegen Süssmuth zeigte sich dagegen der FDP-Abgeordnete Josef Grünbeck. Die Informanten in der Dienstwagenaffäre seien „auch in den Reihen der CSU zu finden“. Wenn „etwa in der CSU die Meinung umgeht, daß dies nur eine Gelegenheit sein soll, um eine politisch nicht bequeme Persönlichkeit, wie die Frau Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth es ist, abzuschießen, dann ist das Maß der politischen Unart überschritten“.

Auch die niedersächsische Frauenministerin Waltraud Schoppe setzte sich für die Bundestagspräsidentin ein und forderte Süssmuth auf, im Amt zu bleiben. Die Politikerin der Grünen betonte in einer Mitteilung ihres Ministeriums, daß bisher nur Männer an Affären beteiligt gewesen seien. „Vielleicht ist diese Affäre der Ausdruck dafür, daß wir Frauen nun endlich dazugehören“, kommentierte Frau Schoppe. Sie verwies darauf, daß Frau Süssmuth mit ihrer Forderung nach straffreiem Schwangerschaftsabbruch gerade in ihrer eigenen Partei vielen ein Stachel im Fleisch sei. kap