Revolver und Pausenbrot

In Peterborough im Osten Englands brachte ein 13jähriger Schüler eine Handgranate mit zum Unterricht. Er und seine Freunde spielten mit dem Sprengkörper herum, bis ein Lehrer sich das Ding etwas genauer anschaute. Blankes Entsetzen erfaßte ihn, als er erkannte, daß die Granate aus dem Zweiten Weltkrieg noch über den intakten Splint verfügte und scharf war. Der Pauker löste sofort Alarm aus, die Schule wurde evakuiert. Auf dem Sportplatz brachte man später die tödliche Waffe kontrolliert zur Explosion.

In den USA wäre eine Handgranate im Klassenzimmer wahrscheinlich nicht auf soviel Interesse gestoßen. Es wird immer wahnsinniger in den Vereinigten Staaten. Inzwischen sterben mehr Jugendliche durch Schußwaffen als durch alle natürlichen Krankheiten zusammen. Eine Studie, die das amerikanische Gesundheitsministerium jetzt veröffentlichte, zeigt auf, daß jeder fünfte Tod von Teenagern zwischen 15 und 19 Jahren in Verbindung mit Schußwaffen steht, bei Schwarzen ist es fast jeder zweite. Die Wahrscheinlichkeit, daß schwarze Teenager erschossen werden, ist elfmal größer als für weiße Jugendliche. Für alle Jugendlichen zusammen stieg die Rate zwischen 1984 und 1988 um 40 Prozent. Unter Hinweis auf die 100 Stunden Landkrieg am Golf meinte Gesundheitsminister Sullivan, in derselben Zeit „verlieren wir dreimal so viele junge Menschen durch Gewaltakte mit Schußwaffen“.

Amerikanische Lehrer unterstützen die Gewalt. Sie haben den Golfkrieg inzwischen effektvoll in ihren Unterricht eingebaut. Um ihre Schüler zu größerem sportlichen Kampfgeist anzuspornen, kamen die Sportlehrer zweier Schulen auf Long Island auf die Idee, das gewöhnliche Hindernisrennen in einen soldatischen Lauf durch Minenfelder umzuwandeln; der erste, der das Ziel erreichte, durfte dem Porträt des irakischen Präsidenten Saddam Hussein in die Fresse schlagen.

Immerhin gab es noch einige Eltern, die mit den neuen Unterrichtsmethoden nicht einverstanden waren. Sie erkannten darin eine Anstiftung ihrer Kinder zum Haß und forderten erfolgreich ein Ende der paramilitärischen Übung. Für einige Eltern kam das Verbot jedoch zu spät: „Fünf Jahre lang habe ich meine kleine Tochter zu Frieden und Harmonie erzogen. Und jetzt sind alle meine Bemühungen in nur drei Wochen zerstört worden“, schimpfte eine Mutter und hat jetzt endlich begriffen, was es bedeutet, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu leben. Karl Wegmann