"Der Mann der Friseuse" im Kino: Das Feinsliebchen riechen können

Das Haar ist ganz feucht, und behutsame Frauen-Finger fahren durch die Strähnen, massieren mit kreisenden Bewegungen die Kopfhaut des Mannes. Der Frisiersalon ist sonnendurchflutet, die Requisiten haben den altmodischen Charme der fünfziger Jahre; es ist, als wenn sich ewiger Sommer und savoir vivre ineinander verlieben. Nie war Haarewaschen so erotisch.

Daß wir meinen, den Geruch von schwitzender Haut unter weißem Kittel zu riechen und auch das schwere Aroma französischer Duftwässerchen, das verdanken wir dem Regisseur Patrice Leconte. Er hat mit dem Mann der Friseuse. einen kurzen (80 Minuten) Film gedreht, der praktisch ohne Handlung auskommt, aber die ganze Sinnlichkeit zweier Menschen in seinen Bildern ausbreitet. Dieser Film könnte nie ein deutscher sein, hier werden Liebesschmonzetten dieser Art nicht gemacht.

Der kleine Junge Antoine ist wie verrückt in den Körpergeruch der Friseuse Madame Sheaffer verliebt. Die Dame mit der Ausstrahlung einer Kaltmamsell wirkt derart berauschend auf der vorpubertären Knirps, daß der schon früh beschließt: „Ich heirate eine Friseuse“ — und rumms dafür vom Herrn Papa eine Ohrfeige einfängt.

Natürlich macht Antoine sein Vorhaben etwa vierzig Jahre später wahr, mit der sehr attraktiven Frau Mathilde (Anna Galiena). Regisseur Leconte erzählt weder, wer diese Frau überhaupt ist, noch was der Schweiß-Fetischist in der langen Zwischenzeit getrieben hat. Er läßt er uns im Unklaren, und dort gefallen sie uns umso besser, die kunstvoll zusammengesetzten Bilder über zwei, die sich ganz doll lieben.

Antoine will Mathilde nur beim Schneiden zusehen und lungert darum den lieben langen Tag im Salon herum. Mathilde hingegen liebt es, sich anschauen zu lassen. Also schickt Leconte seine Kamera auf die Reise durch durch die wunderbare Welt der Körperbewegungen, weil es sonst nicht viel zu erzählen gibt. Das macht er aber so detailversessen, daß wir eigentlich der Stimme von Antoine aus dem Off gar nicht bedürften, um bei jeder Regung zu meinen, wir könnten die Bilder auch „riechen“.

Wenn der dröge Antoine einen hinreißenden arabischen Tanz aus seinem Körper zaubert oder wenn sich das Paar liebestrunken zu orientalischer Musik mit Haarwasser berauscht, dann ist das so schön, daß unser Bedürfnis nach einer Handlung einfach gegenstandslos wird. Jürgen Franke

Tägl. in der Schauburg, Gr. Haus, um 18.30, 21 und 23 Uhr.