Ein Viertelchen Baracke für Berlin

■ Ostlandesverbände der SPD wollen Teile der Bonner Parteizentrale nach Berlin holen — und in drei Jahren den ganzen Regierungssitz/ Berliner SPD will nationalen Aufbauplan

Potsdam/Berlin. Wenn schon der Kanzler sich nicht rührt, geschweige denn Umzugskisten bestellt, dann will man wenigstens den eigenen Parteigenossen Dampf machen. Um die neuen Bundesländer »besser zu betreuen«, soll die Bonner SPD-Zentrale nach dem Willen der sechs ostdeutschen Landesverbände zumindest in Teilen nach Berlin ziehen. Gedacht sei an die Bereiche innerparteiliche Bildung, Organisation sowie Zielgruppenarbeit, erklärte der brandenburgische Landesgeschäftsführer Marin Gorholt gestern anläßlich eines Arbeitstreffens in Potsdam. Sie umfaßten rund 50 von insgesamt etwa 200 Mitarbeitern in Bonn. Ein Viertelchen der Baracke soll also umquartiert werden.

Wie Gorholt weiter mitteilte, haben die Landesvorsitzenden außerdem eine Resolution zur Hauptstadtfrage verabschiedet, in der sich die Ostbundesländer — wen wundert's — für Berlin als Regierungssitz aussprechen. Dem bundesdeutschen Hauptdorf Bonn wollen die SPDler aus den neuen Bundesländern noch eine Gnadenfrist von zwei bis drei Jahren gönnen. Solange soll der Umzug geplant, dann die Kisten gepackt werden.

Ins gleiche Horn hatte der SPD- Landesvorsitzende Walter Momper am Samstag auf dem Landesparteitag der Berliner SPD gestoßen. Unter großem Beifall der Delegierten forderte er den Bundesvorstand seiner Partei auf, dem zaudernden Kanzler mit gutem Beispiel voranzugehen und einen Teil der Bonner Parteizentrale nach Berlin zu verlegen — als Zeichen der »Hoffnung und Zuversicht in Richtung Osten«.

Mit dem Oggersheimer höchstselbst wollten es sich die Berliner Sozialdemokraten aber nicht verderben. Helmut Kohl soll bekanntermaßen wegen bislang nicht identifizierbarer Vedienste um Berlin mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet werden. Ein Initiativantrag gegen die geplante und umstrittene Verleihung wurde mit Nichtbefassung abgespeist.

Die Berliner SPD forderte einen nationalen Aufbauplan als Solidarpakt zwischen den neuen und alten Bundesländern. Die dramatische wirtschaftliche, finanzielle und soziale Situation in der ehemaligen DDR und in Berlin gefährde den sozialen Frieden in der Bundesrepublik und beeinträchtige die Lebenschancen vieler Menschen, heißt es in einem Antrag, der bei wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen wurde. dpa/anb