Mit dem Rücken zur Wand

■ Saddam kündigt politische Reformen im Irak an

Mit dem Rücken zur Wand Saddam kündigt politische Reformen im Irak an

Demokratisierung, Übergang zum Mehrparteiensystem, freie Wahlen: Davon ist im Irak heute nicht zum erstenmal die Rede. Bereits Anfang 1989, ein gutes halbes Jahr nach dem Waffenstillstand mit dem Iran, hatte Saddam Hussein, ein miserabler Stratege, aber gewiefter Taktiker, politische Reformen angekündigt. Das Ergebnis ist bekannt und einer der Gründe für die jetzige Skepsis der Opposition. Doch diesmal steht der irakische Diktator mit dem Rücken zur Wand und kämpft um sein politisches Überleben.

Die Rede Saddam Husseins vom Samstag richtet sich an drei Adressaten: die eigene Bevölkerung, die Opposition im Ausland und die USA. Sie ist zum einen eine Reaktion auf den Aufstand, der dem Regime offenbar namentlich in Kurdistan die Kontrolle über zahlreiche Städte entzogen hat. Zum anderen besteht ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Treffen der irakischen Oppositionsgruppen in Beirut und den jüngsten Warnungen der USA vor weiteren Einsätzen der regimetreuen Luftwaffe gegen die Aufständischen. Saddams Worte sind von der Sorge diktiert, daß die Exilgruppen nun — auch im Zuge des brutalen Vorgehens gegen die Rebellion — international als demokratische Alternative zur Baath-Diktatur ernster genommen werden könnten als bisher. Mit dem Appell zur Einheit und Stabilität des Landes greift er Befürchtungen über eine „Libanonisierung“ auf — ein Signal ebenso an Washington wie an Ängste im eigenen Land, denn schon während des Krieges gegen den Iran haben sich die Schiiten im Süden mehrheitlich weniger als Bannerträger Khomeinis denn als Araber erwiesen, die ihr Land verteidigen.

Doch bislang sind alles nur Worte. Der erste konkrete Schritt, sollte Saddam es ernster meinen als in der Vergangenheit und zumindest etwas demokratische Kosmetik anstreben, wäre vermutlich ein Angebot an Schiiten und Kurden, in die Regierung einzutreten. Aber auch da gibt es leidvolle Erfahrungen. Eine echte Demokratie gar, eine freie Presse, in der die Opfer des Regimes über Willkür, Folter und Mord berichten, ist mit Saddam Hussein und seinem Terrorapparat schlichtweg nicht vorstellbar. Selbst wenn einzelne Oppositionsgruppen auf Angebote Saddams eingehen sollten — allein die Angst vor neuen Blutbädern und chemischen Waffen könnte ein Motiv abgeben —, ist sein politischen Überleben damit langfristig noch nicht gesichert. Denn diesmal wird Saddam Hussein für das Desaster, das er neuerlich über den Irak gebracht hat, verantwortlich gemacht, und das nicht nur in den Rängen der Oppositionsgruppen. Beate Seel