Hessens SPD gibt Rot-grün den Segen

SPD-Parteitag in Baunatal segnet Koalitionsvereinbarungen ab/ Designierter Ministerpräsident Eichel giftet gegen Bonn und lobt die Grünen/ Zufriedenheit bei Jusos und Frauen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Baunatal(taz) — Mit großer Mehrheit haben die Delegierten des Landesparteitages der hessischen SPD am Sonnabend in Baunatal die ausgehandelten Koalitionsvereinbarungen mit den Grünen akzeptiert. Weil ursprünglich von der SPD avisierte Autobahn- und Straßenbauprojekte im Taunus und Schwalm-Eder-Kreis „auf dem grünen Altar geopfert“ worden seien, stimmte eine Handvoll Delegierter aus den betroffenen Kreisverbänden gegen die Vereinbarungen. Exakt 97 Prozent der anwesenden Sozialdemokraten begrüßten dagegen die Neuauflage der sozial- ökologischen Koalition in Hessen, die — so der designierte Ministerpräsident und Parteivorsitzende Hans Eichel in einem Grundsatzreferat — nur möglich geworden sei, weil beide Seiten einen „Lernprozeß durchgemacht“ hätten.

In dieser neuen Koalition, so Eichel weiter, werde der Schwanz nicht mit dem Hund wedeln. Aber auch der Hund wisse, daß er nicht auf seinen Schwanz verzichten könne. „Kupiert“ sehe dieser rot-grüne Hund nämlich nach „nix mehr“ aus. Eichel setzt auf die „faire Zusammenarbeit“ mit den Grünen — „und in sehr vielen Politikfeldern gibt es eine programmatische Kongruenz“. Dennoch sei das Umweltthema ein sozialdemokratisches Thema, „auch wenn der Umweltminister von den Grünen kommt.“

Während Eichel einerseits vor den Delegierten die „Politikfähigkeit“ der Grünen auch an der Akzeptanz der sozialdemokratischen Forderung nach materieller Unterstützung der Polizei und ideeller Aufwertung des Polizeidienstes festmachte, keilte er andererseits kräftig gegen Bonn aus. Hessen werde sich im Bundesrat gegen die „unsoziale Politik von Kohl“ stemmen, und bei der angekündigten Abschaffung der Vermögenssteuer auch den Gang nach Karlsruhe nicht scheuen. Die Kommunen würden „an den Bettelstab gebracht“. Eichel setzt darauf, daß es auch in Rheinland-Pfalz Ende April zu einem Regierungswechsel kommt und Kohl dann ohne Hemd dasteht. „Das ist ein entscheidender Beitrag zur Stärkung des Föderalismus.“

Hochzufrieden mit den Koalitionsvereinbarungen waren vor allem die Frauen und die Jungsozialisten. Mit einem lila Einstecktuch zollte Eichel den sozialdemokratischen Frauen optisch Tribut — und die SPD-Frauen dankten Eichel für seine Härte beim Ringen um die Besetzung des Ministeriums für Frauen und Arbeit mit der Sozialdemokratin Heide Pfarr. Der nordhessische Vorsitzende der Jungsozialisten, Udo Bullmann, sah in den rot-grünen Vereinbarungen gar einen „Durchbruch“ in dem „fünfzehn Jahre langen Kampf innerhalb der SPD um ökologische und frauenpolitische Inhalte“. Allerdings warnte Bullmann die Partei vor der Vernachlässigung der klassischen Klientel der deutschen Sozialdemokratie. Joschka Fischer sei dabei, seine Partei dem Mittelstand zu öffnen — und in dieser Situation müsse sich die SPD verstärkt um die Industriearbeiter und die Arbeitslosen kümmern.