Im Kupferrohr getanzt

■ Eine, die an ihren Träumen festhält: Janine Jaeggi / Samba, Tanz, Schauspiel, Stimme, Ideen

Janine Jaeggi, klein, kompakt, semmelblond, bald 26: Ein Bremer Multitalent aus Muskeln und Haltung sitzt an ihrem Wohngemeinschafts-Küchentisch, fünf Stockwerke über der Sielwallkreuzung, eine Oma-Kanne mit Kräutertee vor sich. Ich bin mit 17 aus der Schweiz weg und dann nach Berlin. Ich wollte Theater machen. Ich wußte, Berlin ist eine Stadt, wo viel passiert. In Berlin lernte sie Trommeln, Aikido, Sprachgestaltung und Tanzen. Und sie machte einen Trickfilm. Ausprobieren wollte sie, das war ihr Hauptthema. Sie redet langsam, nachdenklich, mit Pausen zwischen den Sätzen. Lautes Temperament ist ihre Sache nicht.

Geld, na ja, zuerst haben die Eltern gezahlt. Die standen überhaupt hinter ihr, der jüngsten von vier Töchtern, alle mit künstlerischen Ambitionen. Das Modellstehen an Kunsthochschulen war ihre Haupteinnahmequelle.

Von der Intensität war es fast wie eine Schule, sagt sie über ihre Zeit in Berlin. Nach zwei Jahren kam das Bedürfnis nach einer „richtigen“ Ausbildung, an einem Ort, mit einem Konzept und wenigen LehrerInnen, von morgens bis abends. Ihre Hände zeichnen langsam Kreise auf den Tisch, segeln in die Luft, öffnen sich und sinken zurück in den Schoß.

In Deutschland und in der Schweiz guckte sie sich um und — fand das Bildertheater in Bremen. Unter der Leitung von Alphea Ponget lernte sie drei Jahre lang Tanz, Rhythmik, Stimme, schwerpunktmäßig eine Mischung aus Tanz und Schauspiel. Das war genau, was sie wollte.

Gleichzeitig trommelte sie Samba. Zuerst in Berlin, in einer der ersten Samba-Gruppen in Deutschland, dann in Bremen, mit der Ideologie, auf den Straßen, auf Demos zu spielen, dem Schilderschlagen der Polizei etwas entgegenzusetzen, die Monotonie zu brechen. Das ist ein Niveau von Energie, das war so faszinierend, das hat mich nicht wieder losgelassen.

1986 machte diese Gruppe den ersten Bremer Karneval. Und da war noch die Arbeit im Duo mit dem Musiker Willi Daum. Ihre erste eigene Arbeit. Die Grundidee war, mit Instrumenten und Materialien zu arbeiten, die nicht mehr gebraucht werden. Wir sind auf den Schrott gefahren und haben uns dort unser Instrumentarium zusammengesucht. Ich habe damals in einem Kupferrohr getanzt, wo ich gerade so reingepaßt hab. Das war am ehesten eine Sache, von der ich sagen kann: Da stehe ich total dahinter.

Auftritte gab es auf der Breminale, im Freiraum, außerhalb von Bremen. Janine Jaeggi versuchte immer, sich von artfremder Arbeit möglichst freizuhalten. Der äußerste Kompromiß war das Modellstehen. Als Schweizerin hat Janine Jaeggi in Deutschland keine Arbeitserlaubnis.

Ein Jahr lang — das war das Jahr, was mir gerade noch fehlte — sponsorten sie vier Künstler- Freunde, “weil wir gut finden, was Du machst“, jeder mit 100 Mark im Monat. Dafür organisierte sie den Bremer Karneval. Seither steht Janine Jaeggi auf eigenen tänzerischen Beinen. Sie gibt Unterricht in Percussion und mit den Auftritten, das wird auch mehr. Es ist so eine Mischung, ich muß von Monat zu Monat gucken.

Langfristig kann Janine Jaeggi sich auch vorstellen, wieder ganz woanders hinzugehen, vielleicht zurück in die Schweiz, vielleicht noch weiter ins Ausland. Dafür nimmt sie Tanzunterricht, um fremde Tanzsprachen zu lernen. Ich frage mich schon manchmal, warum ich jetzt schon so lange hier bin.

Aber zur Zeit arbeitet sie mit Leib und Seele mit einem Dutzend Leuten aus Tanz, Musik und Theater im Kontorhaus in der Schildstraße, im ehemaligen Bildertheater. Jetzt sind wir ein Konzept am Entwickeln, wieder einen neuen Geist in dieses Haus zu bringen. Stichworte: Werkstattaufführungen, Fremdproduktionen, Vermietung der Probenräume, Trainingsbörse. Das sei eine Art Austausch von Können: Nur Leute, die nichts selbst anbieten, müssen bezahlen. Es gibt auch Leute, die nur was anbieten.

Zur Zeit probt Janine mit zwei Tänzern im Trio. Die Produktion Butzbach und Brommelmeier auf Korsika, bei der sie Sprecherin ist, läuft schon länger in Bremen und umzu — nächster Termin: Breminale.

Janine Jaeggi will sich nicht festlegen. Ich würde schon sagen, daß Bewegung mein Schwerpunkt ist. Aber beispielsweise würde sie gerne lernen, Kostüme zu schneidern, das ist ja mehr Handwerk.

Manchmal ist sie zu diszipliniert, arbeitet zu viel. Künstlerische Muße holt sie sich, wenn sie mindestens einmal im Jahr aus Bremen rauskommt. Meistens ist das kein Urlaub im herkömmlichen Sinne, sondern eine Fortbildung. Dann kann man sich die alten Strukturen auch wieder angucken.

Sie hält an ihren Träumen fest. Ja, aber dazu gehört auch, nicht zu wissen, wie es weitergeht. Es ist immer eine Gratwanderung. Was eigentlich nötig ist, daß es weiterwachsen kann, daß es nicht stagniert.

Beate Ramm