Erfolgreich mit Persönlichkeit!

■ Ein Abend unter Chancenträgern oder: Wenn Wirtschaftsstudenten ihre Wirtschaft treffen, ist der Charakter los

Wir befinden uns im gehobenen Außendienst der Sprache. Also da, wo die Wörter mit Mercedes vorfahren und ihren Inhalt samsonite-verschalt neben sich hertragen.

hier das

flache

auto

Das heißt: Wir sind auf der Veranstaltung „Karrierechancen Bremer Hochschulabsolventen“, und selbstverständlich handelt es sich hierbei nicht um schöne Aussichten für Geistes-, sondern um die Zukunft von Wirtschaftswissenschaftlern. Denn anders als beispielsweise der Germanist, der ja relativ leicht Kontakt zum Buch aufbauen kann, ist der Wirtschaftsstudent sozusagen auf Schuhlöffel angewiesen, um in die Wirtschaft hineinzukommen. Und deshalb kann er einem leid tun. Denn eines Tages wird sein Weg über Hilfsmittel wie Peter B., Personalberater, im Volksmund auch Headhunter genannt, führen. Oder aber über Uwe K. oder Ulrich P., Personalverweser einerseits einer Brauerei, andererseits bei Mercedes B., alle Bremen.

Und da sitzen sie, drei Zerberusse vor dem Karriere-Tor und machen den etwa 100 Wirtschafts- Mucksmäusen im überfüllten Konferenzsälchen Angst. Mit angelegten Öhrchen erschauern diese vor den triumvirilen Horrormeldungen von drauß' aus der Marktwirtschaft: entwickelte Leistungserwartung, hohe Qualifikationsstruktur, geringer Personalbeschaffungsbedarf, Selektion, Selektion, Selektion. Aber die Chancen, die Chancen, die Chancen !!! Man ist doch qualifikationsstrukturiert! Jaha, meine Damen und Herren, sind wir hier etwa zum Rezepte geben? Na also! Uwe K. ist heiter erschüttert: Ich sach Ihnen mal: zich Bewerbungsunterlagen landen auf meinem Schreibtisch, zich! Uwe K. hebt die Hände zum Himmel, daß man nicht weiß, ist das die reelle Stapelhöhe oder ist er nur vertikal echauffiert. Jedenfalls — Jungstudent, aufgepaßt:

Willst du Chancen haben, mußt du beim Bewerben die Zielperspektive im Anschreiben klarmachen. Das setzt natürlich voraus, daß du eine hast. Neben der Zielperspektive ist prinzipielle Zielgerichtetheit vonnöten. Also im Gesamtleben. Prinzipiell ist der Markt aufbereitet, meine Herren, aber er kommt nicht zu Ihnen! Es soll Hochschulabsolventen geben, die sich auf ihrer Volksschullehrerin-Ehefrau ausruhen und am Orte kleben! Und sich ein Verhalten in der Freizeit vorstellen können!!! Dann: Ganz wichtig ist auch die Erscheinung der Gesamtperson! Dann: Lassen Sie

Probate Instrumente jeder Karriere: glatter Lack, niedriger cw-Wert, das richtige Emblem auf der Brust Fotos: Tristan Vankann

sich von Umfragen einschlägiger Magazine nicht irritieren! Die Persönlichkeitsstruktur des Bremer Studenten ist nicht schlechter als der Bundesdurchschnitt. Obwohl: die Bremer Uni!!!!! Der mittelständische Unternehmer im Süddeutschen, der sieht da halt doch ein bißchen ziemlich immer noch rot. Und hat er nicht recht? Zum Beispiel jener Schlachtereiketten-Metzger, den Peter B. weiland am Flughafen abholte und der nach der Ingrid Strobl fragte — „was beschäftigt ihr denn da wieder!“ — und Peter B. mußte zugeben, daß!!! Gell! Das bestätigt natürlich wieder alles,

kotflügel mit

nem Fahrrad daneben

wenn Terroristen unsern Nachwuchs lehren dürfen!! Wirklich wahr, alle lachen!

Uwe K. übernimmt: Am entscheidendsten ist die Persönlichkeitstruktur, man kann gewinnen dadurch. Noch besser: eine etwas vom Standard abweichende Persönlichkeitsstruktur! Geheimtip: Persönlichkeit kombiniert mit Schlips. Schon als Absicherung: sollte beim Vorstellungsgespräch Schlips verlangt werden und man hat bereits einen um, ist das super!! Kleiner Trost für die Damen: Auch für Sie gibt es mittlerweile hier und da etwas zum Arbeiten. Der Osten nimmt ja jetzt alles. Apropos Wertewandel: Selbstverwirklichung ist out! Recht so. Führt zu nichts. Dann: Etwas Individualität kann nicht schaden. Ja, das nehmen sich jetzt alle vor, die noch keine haben.

Und Pause. Stolz wie tüchtige Hütehunde blicken die zwei Jungmanager von Market Team (eine bundesweite Studenteninitiative) über ihre Schäflein, haben doch die beiden wendigen Aufstreber, obwohl noch Anfangssemester, diese Veranstaltung organisiert. Bitte jetzt Sammeln zum zielgerichteten Fragen! Die Studenten umkreisen je einen Personalbeschaffer in einer Sälchen-Ecke. Vielleicht hat er ja doch ein paar Brotkanten dabei. Eine stößt quasi pickend zu: Was sie denn nun machen solle bei einem Bewerbungs-Anschreiben, um aufzufallen? Eine Freundin habe sich z.B. auf blauem Briefpapier beworben. Uwe K. mit dem emaillierten Firmenemblem auf der Krawattennadel mustert sie kühl und sieht alle Pickel: Sie muß eben ihre Persönlichkeitsstruktur verkaufen, hat er doch eben aus

auto-Ausschnitt mit

großem mercedes-Stern

führlich dargestellt. Eine etwas zu sehr vom Standard abgewichene Persönlichkeitsstruktur hat sich mal auf Löschpapier beworben. Die Nächste ruckelt nach: was hält er von solchen Einrichtungen, in denen künftige Wirtschaftskräfte zwei Tage lang in Rollenspielen härtegetestet werden? Naja, solche Psycho-Tests könnten schon gefährlich sein, wenn man da falsche Schlüsse zöge. Kann man das ablehnen? ABLEHNEN! Wenn's verlangt wird!!? Claudia Kohlhase