Konsum soll entmottet werden

■ Konsumgenossenschaft vor Fusionierung der regional selbständigen GmbHs/ Unwirtschaftliche Geschäfte, Gaststätten und Dienstleistungsbetriebe an eigene Mitarbeiter »günstig« abzugeben

Berlin. Auch der Konsumgenossenschaft Berlin bläst jetzt der Wind ins Gesicht. Sie muß umstrukturiert, rationalisiert und modernisiert werden, sonst haben die westlichen Einzelhandelsketten wie Rewe, Reichelt, Tengelmann oder Spar auf Dauer die Nase vorn. Gestern fand in Berlin eine Betriebsrätekonferenz aller 13 großen und 45 kleineren Konsumgenossenschaften der ehemaligen DDR statt. Diskutiert wurde eine weitere Fusionierung der bisher regional selbständigen GmbHs und lokale Sanierungskonzepte. Ein Prozeß — der in vollem Gange ist; vor der Wende gab es in der gesamten DDR 198 selbständig arbeitende Konsumgenossenschaften. Die Mitgliederzahlen haben sich nicht verändert, 4,6 Millionen Konsumenten kleben eifrig Sparbücher mit Rabattmarken voll.

Die größte Konsumgenossenschaft ist heute die in Ost-Berlin. Sie ist untergliedert in 18 Vertriebsketten für jeweils spezielle Produkte, z.B. Leder- und Schuhwaren, Brot oder Fleisch, und in Konsumläden und Konsumgaststätten. Insgesamt beschäftigt die Berliner Konsumgenossenschaft 9.600 Menschen. Zu viele, sagt auch der Einzelhandelsexperte der Gewerkschaft HBV, Frank Fischer, um den Preiskrieg mit den westlichen Ladenketten aufnehmen zu können. Die Gewerkschaft unterstützt daher Sanierungskonzepte, denn sie will die Genossenschaft nicht »ruinieren, sondern sanieren«. Das Unternehmen, meint Fischer »hat eine echte Marktchance«.

Ein »Effizienzkonzept« für Berlin hat die Unternehmensleitung gestern den Betriebsräten vorgelegt. Das Konzept basiert auf einer Umsatzerwartung von 1,261 Milliarden DM für 1991. Alle unwirtschaftlichen Geschäfte, Gaststätten und Dienstleistungsbereiche sollen »abgegeben« werden, wenn möglich zu günstigen Konditionen an eigene Mitarbeiter. Die bisher noch umständlichen Ein- und Verkaufsstrukturen sollen zentralisiert werden. Dennoch wird es Entlassungen im großen Stil geben. 2.300 Mitarbeiter gehen ab Ende März in die Null-Kurzarbeit, weitere 4.000 werden auf 50 Prozent Kurzarbeit gesetzt. Mit der Arbeitnehmervertretung, hieß es in einer Presseerklärung, sei ein Sozialplan vereinbart worden, um »Sozialfälle zu dämpfen und Härtefälle zu vermeiden«. Mit anderen Unternehmen stehe man in Verhandlungen, zwecks Übernahme von Personal. Die Gewerkschaft votiert darüber hinaus für die Gründung von speziellen Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaften.

Für Aufsehen sorgte die Konsumgenossenschaft nach der Währungsunion. Als einziges Unternehmen in der DDR expandierte die Genossenschaft in der ganzen DDR in den Westen. Konsum kaufte das traditionsreiche Berliner Einzelhandelsunternehmen Bolle. Von den neuen Rationalsierungsanstrengungen im Osten ist aber Bolle ausgenommen, die GmbH wird als selbständiges Westberliner Unternehmen weiter arbeiten. aku