Frankfurt — Miami Vice

■ „Tatort“, So., 20.15 Uhr, ARD

Wir schreiben das Jahr 1991. In ganz Deutschland ist der Karneval ausgefallen. In ganz Deutschland? Nicht ganz. Es gibt da eine kleine Stadt, bekannt durch ihre Banken und ihren Müll, in der einige unbeugsame Verkleidungswillige darum bangen, daß ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Deshalb haben sie auch soviele Hochhäuser, um die Wolken abzustützen.

Der notorisch nervöse Hochbauingenieur Poehlke, der uns gleich zu Anfang versichert, er habe eine Menge Geld in Ghana verdient, ist ein unverdrossener Karnevalist. In seinem mit unzähligen einschläfernden Kamerafahrten durchquerten Einfamilienhaus in Limburg (ca. 100 Kilometer vor FFM) hängen ja auch jede Menge Fotos, auf denen der raffiniert verkleidete Poehlke abgebildet ist. Wir hätten das natürlich wieder übersehen, weil wir vom spießigen Gesamteindruck des Einrichtungsungetüms geblendet wurden und weil es ja eigentlich keinen Grund gibt, Fotografien an den Wänden fremder Häuser anzuschauen.

In solchen Fällen hilft uns zum Glück die Dramaturgie. Der Adjutant des Kommissars, im weißen Don-Johnson-Anzug sichtbarer Kulturtransfer zwischen Miami Vice und der Drogenmetropole am Main, lädt die Kamera durch seinen interessierten Blick zu einer neugierigen Fahrt über die Faschingsfotos ein — okay, es geht also um Verkleidung. Dieser neureiche Bauingenieur führt eine Doppelexistenz. Das gibt zumindest einen Überraschungspunkt für die unverschämteste Kinomythen-Travestie; so etwas hätte man vielleicht in Kottan ermittelt erwartet, nicht aber im angegrauten TatortKrimi.

Zwischen den schlappen Verhören, die unvermeidbar auf einer Hochhausbaustelle mit Blick auf die Skyline geführt werden, gibt's dann doch noch ein bißchen amüsant aufgetragenes Lokalkolorit. So die Hausmeisterin von Poehlkes Stadtwohnung beim Anblick des Polizei- Drogenhundes: „Iss däa aach sauber?“

Sehr aufmerksam ist auch die Anspielung auf die Auslagerung der Bahnhofspuffs in die Vorstädte. Der Puffbesitzer in Vilbel zum Kommissar: „Wir führen hier ein ruhiges Haus. Nur angesehene Persönlichkeiten aus ,der Stadt‘“. Aber daß die Geldübergabe in einem „leerstehenden Haus in der Liebigstraße“ stattfindet, dem teuersten Wohngebiet Frankfurts, überzeugt nicht ganz.

Der achtzig Prozent des Krimis abdeckende Plot fügt sich wie ein Fremdkörper in den Film ein, der uns immerhin beim Aufstieg in heruntergekommenen Treppenhäusern mal einen Seitenblick auf einen Penner in einer abgerissenen Wohnung gewährt; oder ein Schwätzchen nebenher, wie das hier so üblich ist. Ansonsten wird schwere Arbeit am Mythos geleistet; Frankfurt wird immer wieder „die Stadt“ genannt: Schwenk über die einzige bundesdeutsche Skyline. Manfred Riepe