Von New York bis nach New Strelitz

■ Intendant Gregorij von Läitis mußte gehen

Wie heißt es? Mundus vult decipi, die Welt will betrogen sein. Die Kurzgeschichte des Gregorij von Läitis erinnert im Rückblick an jenen Hauptmann in Köpenick. Dem genügte die hohe Uniform, um, den deutschen Untertanengeist fordernd, an die Stadtkasse zu gelangen. Der nun geschaßte Neustrelitzer Indendant mit der amerikanischen Vergangenheit (die bekanntlich an unbegrenzte Möglichkeiten und vertikale Aufstiege erinnert) mußte lediglich verschwommene Wirtschaftskontakte zu den USA und der alten BRD andeuten, um in einem von Existenzangst und wirtschaftlichen Sorgen geplagten Ex-DDR-Theater auf leitende Position zu geraten.

Wohl wäre das von ihm in New York geführte Theater durch den Besuch einer Großfamilie überbelegt gewesen. Zwar waren die ihn als Spezialisten ausweisenden Zertifikate in den betroffenen Bildungseinrichtungen nicht auffindbar, zwar wollten sich die zu Läitis' angeblichem Gefolge gehörigen Theater-Stars nicht in Neustrelitz einfinden. Aber das stellte sich erst heraus, als der gute Mann schon (auch dank ausbleibender Konkurrenz) engagiert war. Erst durch Recherchen skeptischer Mitarbeiter, Schauspieler des Hauses, konnten gewisse Ungenauigkeiten in der Biografie exhumiert werden.

Die stellten nun den Kündigungsgrund dar.

Eine wirklich verblüffende Idee des Herrn von ist in seinem dreiseitigen Bewerbungsschreiben nachzulesen: Er wolle, kraft seiner internationalen Verbindungen (Amerika! Amerika!), dafür sorgen, daß dann (wenn er das mecklenburgische Theaterschiff durch frühkapitalistische Wogen führt) der Piscator-Preis abwechselnd in New York und in New Strelitz vergeben wird. Die bisher eher unauffällige innere Verwandtschaft zwischen der amerikanischen Metropole und der mecklenburg-vorpommerschen Kleinstadt sollte endlich augenfällig werden.

Neustrelitz als Treffpunkt von „Studenten aus aller Welt“, als „Salzburg des Nordens“ klingt auch verführerisch; für einen Moment standen wohl vor den Augen verschiedener Kommunalpolitiker Bilder von einem das vereinte Europa mit hocherhobenem Kopf durchquerenden Neustrelitzer — Neustrelitzer, wie stolz das klingt! Blickte dieser privilegierte Bürger auf seine Stadt, sieht er Neustrelitz, wie es, von allen Konzernen dieser Welt gesponsert, in Kultur versinkt.

Das wurde nichts.

Ein fahler Nachgeschmack bleibt, denkt man an jene Verantwortlichen in Land und Kommune, denen so wenige Zauberworte ausgereicht hatten, um hoffen zu können, daß ihr Theater von der baltisch-amerikanischen Finanz-Profi-Wunderwaffe aus der Krise geführt wird. Mehr noch. Offen bleiben bis zu dem Tag, an dem der mecklenburgische Kultusminister Oswald Wutzke fristlos kündigte, alle Fragen nach denen, die dem neuen Mann die Leiter hielten: im Theater, in der Stadt und im Land.

Auch das ein pikantes Detail: Frau Huschke leitet das künstlerische Betriebsbüro im Theater Neustrelitz, Herr Huschke leitet Neustrelitz, als Bürgermeister. Aber vielleicht erzählte Frau Huschke ihrem Mann nichts von den Fahndungsergebnissen ihrer aufgebrachten Kollegen.

Dafür wußte die Neustrelitzer Wohnungsgesellschaft mbH, wie man einen Leiter mit Privilegien schmückt: sie bauten ihm für über 80.000 DM eine Wohnung aus. Die steht nun auch leer.

Immerhin kann Läitis nun in seiner aktuellen Vita völlig zurecht als letzte berufliche Station angeben: Intendant eines Landestheaters.

Wie es in Neustrelitz mit dem Theater weitergeht, klärt sich dieser Tage. Zuerst einmal übernahm Reiner Lorenz, Abteilungsleiter für Kultur, die Geschäfte, bis ein neuer Intenant gefunden ist. Leätis' Erlaß, etliche Mitarbeiter in Warteschleife zu versetzen, wurde mittlerweile zurückgenommen.

Der West-Berliner Regisseur Reiner Lenel inszenierte im Herbst 1990 gerade am Landestheater, als Läitis seine famosen Selbstzeugnisse vorlegte. Er war es, der als gelernter Bürger (West) seine gute Nase zum Wohl der Neustrelitzer Theaterleute einsetzte und zuerst vorsichtig Hochstapelei diagnostizierte.

Lenel begann vorige Woche mit den Proben zu Gogols Revisor, am Mecklenburger Landestheater. Das Stück bietet sich an, erzählt es doch von dem kleinen Beamten Chlestakow, der in der Provinzstadt irrtümlich für den großen, gefürchteten Revisor gehalten wird. Am 14. April soll Premiere sein.

Gregorij von Läitis hatte dereinst festgestellt, es gäbe für sein Arbeitsvorhaben nur die Wahl zwischen der ehemaligen DDR und Italien. Also, Italien, aufgepaßt! Der Hauptmann von Neustrelitz kommt! Annette Reber