Militärhilfe: Aufs falsche Pferd gesetzt?

Das Auswärtige Amt arbeitet am neuen Dreijahresplan der Ausstattungshilfe für Dritte-Welt-Staaten/ Kritiker befürchten, die Hilfe könne zur Stabilisierung oder Bildung von Militärregimes beitragen/ Für die Industrie geht es um lukrative Aufträge  ■ Von Wilfried Meisen

Bonn (taz) — Als sich zu Beginn des Golfkrieges der Sudan als einer der ersten Staaten auf die Seite des Iraks schlug und es sogar hieß, irakische Flugzeuge seien in den Sudan ausquartiert worden, um von dort aus den ägyptischen Assuan-Staudamm zu bombardieren, mußte es dem Auswärtigen Amt dämmern, daß man wieder einmal auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Der Sudan galt jahrzehntelang als befreundeter Staat und genoß deshalb eine besondere Unterstützung, die angesichts der Parteinahme für Saddam Hussein jetzt lieber stillschweigend übergangen wird. Im Rahmen der sogenannten Ausstattungshilfe, die die Bundesrepublik zahlreichen Armeen und Sicherheitskräften in der Dritten Welt gewährt, hatte das sudanesische Militär von 1960 bis heute für rund 150 Millionen Mark neuwertige Rüstungsgüter erhalten.

Ausstattungshilfe, treffender Militärhilfe oder Polizeihilfe genannt, vergibt das Auswärtige Amt in Dreijahresplänen, die Abwicklung übernehmen dann das Verteidigungs- und Innenministerium. Ziel dabei ist es, so die offizielle Begründung, „die Stabilität in der Dritten Welt zu fördern“ und „Entwicklungsprozesse“ zu stärken. Im Zuge des Ost-West- Konflikts sollte dabei auch verhindert werden, daß gegen den Westen gerichtete Macht- und Einflußsphären entstehen. Im letzten Dreijahresplan 1988 war so insgesamt für 176 Millionen Mark militärisch nutzbares Material an Dritte-Welt-Staaten vergeben worden.

Der Sudan etwa erhielt in den letzten drei Jahren 10,9 Millionen Mark für eine Militärdruckerei und für das Military Vocational Training Center in Khartoum, in dem die sudanesischen Streitkräfte Kraftfahrzeug- und Elektroniklehrlinge ausbilden. Berater der Bundeswehr halfen dabei vor Ort. Dank deutscher Ausstattungshilfe können sich so etwa auch marokkanische Soldaten im heißen Wüstenkrieg gegen die Polisario aus Kühlwagen und Feldküchen „Made in Germany“ versorgen. Verwundete werden im Militärlazarett Rabat gepflegt, das von der Bundesregierung mit medizinischem Gerät ausgestattet worden ist. Die Armee von Zaires Diktator Mobutu wurde mit modernen Funkgeräten kommunikationstechnisch auf Vordermann gebracht. Und auch den burundischen Streitkräften nützt deutsche Wertarbeit: Ihnen griff man bei der Ausstattung ihrer Lkw-Flotte mit Daimler- Benz unter die Arme.

Trotz des von Gorbatschow eingeleiteten Ende des Kalten Krieges und der zunehmenden Sensibilität im Bereich des Rüstungsexportes sollen auch in Zukunft Dritte-Welt-Armeen mit deutschen Steuergeldern aufgepäppelt werden. Ein neuer Dreijahresplan wird zur Zeit im Auswärtigen Amt ausgearbeitet. Er soll mit den Haushaltsberatungen für 1991 die Ausschüsse passieren. Der Etat könnte dabei eine Rekordmarke erreichen: In einem vorläufigen Entwurf, waren etwa 200 Millionen Mark angepeilt worden.

„Der Sudan wird diesmal wohl leer ausgehen“, kündigt der CDU- Abgeordnete Peter Würzbach an, der früher als Staatssekretär auf der Hardthöhe für deutsche Soldaten im Ausland zuständig war. Nicht allein wegen der proirakischen Haltung des Landes, sondern auch wegen des Bürgerkrieges im Land, der praktische Hilfe nicht mehr möglich macht. Ziehe die Bundeswehr ihre Soldaten vor Ort auf Dauer ab, werde es bald auch im Khartoumer Ausbildungszentrum düster aussehen. Trotz solcher Rückschläge solle, so Würzbach, nicht auf militärische Ausstattungshilfe als „Instrument der deutschen Außenpolitik“ verzichtet werden. „Mit einem niedrigen Einsatz an Geld, das wir den Armeen zukommen lassen, erreichen wir eine große Hilfe für die Bevölkerung.“ Schließlich könnten nur die Armeen in der Dritten Welt im Katastrophenfall, bei Epidemien und Hungersnöten mit ihren Lazaretten und Fahrzeugen die Not lindern. Militärhilfe als flankierende Maßnahme zur Entwicklungshilfe? Würzbach sieht hier ein Betätigungsfeld der nach neuen Aufgaben suchenden Bundeswehr. „Statt bisher rund 70 Soldaten sollten es besser 700 sein, die im Rahmen der Ausstattungshilfe eingesetzt werden.“

Anders die SPD. Ihr Bundestagsabgeordneter Manfred Opel wiederholte jetzt seine schon im Herbst an die Regierung gestellte Forderung, die „militärische Unterstützung teilweise vollkommen undemokratischer Staaten durch die Ausstattungshilfe einzustellen“. Den Ex- General stört dabei besonders der Einsatz von 72 Bundeswehrsoldaten, die vor Ort in den Gebrauch des gelieferten Militärmaterials einweisen. Opel befüchtet, diese Soldaten könnten zum „Aufbau von Bürgerkriegsarmeen“ mißbraucht werden.

Das ist keine neue Erkenntnis: Schon 1977 stellten Wissenschaftler der Bundeswehr fest, daß die Ausstattungshilfe „zur Verteidigung militärischer Strukturen und zur Stabilisierung, wenn nicht zur Bildung von Militärregimen beitragen“ würde. Das Ergebnis seien „feudal- diktatorische Herrschaftsformen“ und die Entstehung zahlreicher Krisengebiete.

Setzen sich die Kritiker der Ausstattungshilfe durch, dürfte auch der deutschen Rüstungsindustrie mancher lukrative Auftrag durch die Lappen gehen. Diese, so stellte ein interner Informationsdienst der Rüstungswirtschaft 1982 fest, „zieht doppelten Nutzen aus dem Programm.“ Erst liefern sie das Material für die Ausstattungshilfe, dann folgen neue Rüstungs- und Zivilexporte. „Die Ausrüstungshilfe erweist sich somit als Türöffner für kommerzielle Anschlußgeschäfte.“

Ein Beispiel ist Thailand: Die Bundesregierung zahlte 1982 drei Millionen Mark Ausstattungshilfe für ein Pilotprojekt. Dabei sollte das Telekommunikationssystem der thailändischen Streitkräfte auf moderne AEG-Telefunken-Geräte umgerüstet und dadurch abhörsicher gemacht werden. 1985 wurden weitere 3,5 Millionen Mark bewilligt. Anschließend, so das Auswärtige Amt, erwarte man „kommerzielle Anschlußgeschäfte“. Die Hoffnung trog nicht: Drei Jahre später bestellte Thailand auf eigene Rechnung für mehrere hundert Millionen Mark, so seinerzeit ein Firmensprecher, Militärfunksysteme bei der AEG-Tochter ANT Nachrichtentechnik GmbH in Backnang bei Stuttgart.