Offensive für Ostprodukte

■ Das Label „Neue Länder Erzeugnisse“ soll in den Hirnen positive Assoziationen auslösen

Dresden. Der Handel mit ostdeutschen Qualitätsprodukten ist das Ziel des neuen Großhandelsunternehmens „Neue Länder Beteiligungs-AG“ (NLB), das letzte Woche sechs Ost- und sechs Westdeutsche in Chemnitz gründeten. Doch nicht nur personell, auch von der Kapitaleinlage ist die NLB streng paritätisch aufgebaut. Von den zwei Millionen Stammkapital halten Ostler und Westler jeweils die Hälfte.

Sieben Firmen mit insgesamt 1.500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 300 Millionen Mark will die NLB nach den Worten ihres Aufsichtsratsvorsitzenden Klemens Niehues in den nächsten acht Tagen von der Treuhand übernehmen. Ein Vorvertrag und eine Absichtserklärung der Treuhand zum Verkauf lägen vor. Aber das eigentliche Problem der NLB ist das Kaufverhalten der Ostdeutschen, die beim Einkauf die Erzeugnisse der ehemaligen DDR verschmähen. Um dies zu ändern, will die NLB noch dieses Jahr 20 Millionen in Werbung investieren. Erstes Produkt der angelaufenen Kampagne ist ein neues Logo: ein goldenes „Q“ auf violettem Dreieck über den Kennworten „Neue Länder Erzeugnisse“. Das signalisiert Qualität. Um Mißverständnisse auszuschließen, bläst dem „Q“ ein imaginärer Wind die Farben Schwarz-Rot- Gold durch sein Rund. Eine umweltfreundliche Verpackung nach den für 1992 erwarteten neuen EG- Richtlinien und ein „angemessener“ Preis ist Voraussetzung für die Vergabe des Labels.

Nach drei Monaten sollen 60 Prozent der Deutschen das neue Warenzeichen kennen. Die NLB setzt auf Expansion. Bis Ende 1991 sollen sämtliche Abteilungen eines normalen Verbrauchermarktes beliefert werden. Der Direktverkauf an den Kunden ist in 40 eigenen Einzelhandelsgeschäften geplant. Die Zusammenarbeit mit 71 ostdeutschen Lieferanten und das Marketing übernimmt die Neue Länder Einkaufskontor GmbH, eine Gesellschaft, die zu 75 Prozent der NLB und zu 25 Prozent ihrer Belegschaft gehört.

Das bisher einmalige Projekt bewerten der Gesandte des Bundeswirtschaftsministeriums, Regierungsdirektor Hermann Jörissen, und der Vertreter des Neuen Forums, Werner Schmidt, unterschiedlich: Während der Vertreter der Machthebelhaber die bekannten Schwierigkeiten in den Neuen Ländern ins Feld führt und betont, daß seine Anwesenheit nicht etwa eine offizielle Unterstützung der Bundesregierung für das Projekt bedeutet, begrüßt der „kurzarbeitende“ Elektronikingenieur Schmidt die Initiative der Grossisten. Angesichts der desolaten Psyche der ostdeutschen Mitbürger sei jeder Wiederbelebungsversuch der maroden Ostwirtschaft ein nicht zu unterschätzender Hoffnungsschimmer. Auch die wieder eingeführten Montags-Demonstrationen sieht Schmidt mehr als Kanalisation der um sich greifenden Wut und Verzweiflung, denn als politische Kundgebung.

Während Schmidt redete, richtete sich Jörissens Aufmerksamkeit auf eine kleine Flasche Mineralwasser auf seinem Tisch. Es handelt sich um das allen Ostdeutschen vertraute Margonwasser, aufgemacht im westlichen Design und abgefüllt in eine Pfandflasche. Ob er es bemerkt? Frank Brendel/taz