Humane Entsorgung

■ Trabis für die Erben des Conducators — Eine Initiative bürgerbewegter BerlinerFolge 1

Once upon a time: mit dem Kleinwagen machten sich die ostdeutschen Kleinfamilien auf den Weg in den sonnigen Süden. Die Wahl des Reiselandes wurde Otto Normalverbraucher von staatlicher Stelle extrem erleichtert: »Wo woll'n S'e hin, Bulgarien, Rumänien oder Ungarn?« Im Sommer 89 dann kehrten einige der Trabis nicht mehr in den Heimatort zurück. An der österreichisch-ungarischen Grenze standen sie herum, die treuen Gefährten, die die überdrüssigen Ossis bis an den Rand der westlichen Freiheit gebracht hatten. Vor dem Gang durch die Maisfelder wird noch so mancher Familienvater dem braven Wegbereiter ein letztes Mal zärtlich die Karosse gestreichelt haben. Zehn lange Jahre hatte er auf ihn warten müssen, für rund zehn Mille durfte er ihn dann vom Autohof fahren.

Daß der Trabi nicht wegen seines innovativen Designs oder gar der übererfüllten Abgasnorm zum »Auto des Jahres 90« gekürt wurde, dürfte dem letzten Fahrer spätestens Anfang dieses Jahres klargeworden sein. Da nämlich waren Versicherung und Steuern fällig, die in der Regel den Verkaufs-, aber auch den Gebrauchswert des stinkenden Minimalisten überstiegen. Viele hatten sich ohnehin schon den Westhobel unter den Allerwertesten geschoben, wer weiterhin Plastebomber fuhr, war selber dran schuld. Ein unrühmliches Ende nahmen und nehmen deshalb so manche der ehemals Heißgeliebten an Straßenrändern und auf Parkplätzen — wenn sie nicht schon vorher Opfer eines Crashs wurden.

Dietmar Meckel und Andreas Risse, engagiert im Bündnis 90/Grüne tätig, geben den Altlasten der Neubundesbürger eine andere Perspektive. Denn was für die einen zum Fluch wird, kann anderen durchaus noch Segen spenden. Meckel eilte kurz nach dem Sturz des Conducators in humanitärer Mission nach Rumänien. Er sah, wie staatliche Hilfssendungen ankamen — und deren Weiterleitung an die wirklich Bedürftigen aufgrund mangelnder Transportkapazitäten und korrupter Vetternwirtschaft nicht zustande kam. Er sah auch, daß die Kirchengemeinden in Rumänien fast keine Möglichkeiten hatten, die Bedürftigen zu versorgen. Einer der Hauptgründe auch hier: keine Fahrzeuge.

Damals schon, so Meckel heute, sei ihm die Idee gekommen, diesen Gemeinden Autos zur Verfügung zu stellen. Kurioserweise hat erst die große Wegwerfwelle im Osten Deutschlands eine Situation geschaffen, in der dieser Wunsch auch realisierbar wird. Denn wenn der Stinker eh verschrottet werden muß, dann kann der Bürger ihn auch verschenken. Waren es im Februar erst zwei klapprige Gefährte, mit denen Meckel und Risse die lange Fahrt in den Balkan wagten, werden in der Märztour schon sechs der im reichsten Osten ausgedienten Karossen einem Leben nach dem Tod entgegenzuckeln. Die für die Überführung notwendigen Gelder stammen aus dem Fond der von den bürgerbewegten Abgeordneten abgetretenen Diäten.

Heute setzt sich die kleine Kolonne von Marzahn aus in Bewegung. Wenn alles heil bleibt, leisten die schon Totgeglaubten bald noch einmal Nützliches — im Armenhaus Europas wird es den TÜV erst geben, wenn niemand mehr hungert oder friert. Uwe Baumgartner

Wer sein Fahrzeug moralisch sauber entsorgen möchte, der kann sich bei Dietmar Meckel und Andreas Risse melden. Sobald sie zurück sind, wird die nächste Tour zusammengestellt. Adresse: Bezirksamt Marzahn, Fraktionsbüro Bündnis 90/Grüne, Zimmer 1.006, Helene-Weigel-Platz 8, Berlin O-1140. Tel.: 5407264.