Auf einmal spuckte der Kachelofen zurück

■ Wie nach einer Luxusmodernisierung ein Schornstein entfernt wurde und Mieter F. aus seiner Wohnung flüchten mußte

Charlottenburg. Jürgen F. bleibt die Luft weg. Beißender Rauch frißt sich durch seine Charlottenburger Wohnung und reizt Augen, Nase und Lunge zu Rotz und Wasser. Seit Jahr und Tag heizt der 32jährige Student aus der Friedbergstraße 7 nun schon seinen alten Kachelofen. Und plötzlich hustet das Fossil aus unerfindlichen Gründen zurück. Knapp vor dem gesundheitlichen Knock-out reißt er die Fenster auf und flüchtet aus dem stinkenden Inferno zu seinem Nachbarn.

»Die Bauarbeiter haben den Schornstein abgerissen«, eröffnet ihm der freundliche Mitmieter. F. traut seinen Ohren nicht. »Ja, der Schornstein ist futsch, weil der beim Dachausbau im Wege stand.« Der Nachbar wundert sich, daß F. das nicht schon längst bemerkt hat. Schon im September letzten Jahres hatten Handwerker nicht nur F.'s Ofen, sondern auch des Nachbars Gasetagenheizung den Lüftungsschacht genommen. Der Nachbar hatte nach dem ersten vergeblichen Anheizen sofort die Feuerwehr und Polizei gerufen. Die herbeigeeilten Beamten zollten der heizungsbedingten Rauchentwicklung in seiner Wohnung Tribut und stellten die Verantwortlichen zur Rede. Die Hausverwaltung mußte Nachbars Schornstein daraufhin schleunigst wieder aufbauen. Das Fehlen des zweiten Schornsteins schien dabei keiner bemerkt zu haben.

F. kann es nicht fassen. Er läuft die Treppen zur Dachetage hinauf, um sich mit eigenen Augen vom Ableben seines Schornsteins zu überzeugen. Die Frau, die dort seit neustem residiert, öffnet die frischlackierte Tür. Ja, der Schornstein sei weg. Dumm genug, daß der andere wieder hätte aufgebaut werden müssen, erklärt die Bewohnerin. Sie führt ihren Nachbarn herein, damit er sich mit eigenen Augen davon überzeugen könne, wie sehr der Schornstein von Nachbars Gasetagenheizung ihr schickes Schlafzimmer verschandelt. F. ist wütend. Der Dachausbau bringt ihn nochmal ins Grab, denkt er. Die Prinzessin aus der Dachetage versteht seine Wut. Aber für die 3.000 Mark Miete, die sie im Monat für ihre Bleibe zahlt, will sie den Makel gleich zweier Schornsteinstränge nicht hinnehmen.

Der ofenlose Student hängt sich ans Telefon, um den Mieterverein zu benachrichtigen. Seiner Hausverwaltung auf die Füße zu treten, weiß der Mieter aus der Friedbergstraße, ist zwecklos.

Im Herbst vergangenen Jahres hatte ihm die Verwaltung mit dem Namen Quadrat GmbH angeboten, sich zu besonderen Konditionen doch noch an die Zentralheizung anschließen zu lassen. F. hatte abgelehnt, weil ihm die Heizkosten immer noch zu hoch erschienen.

Dem Mieterverein ist der Dachausbau als ständiges Ärgernis bekannt. Hausverwaltungen wie die Quadrat GmbH modernisieren konsequent ihre Häuser auf dem Rücken der BewohnerInnen. Billigste Handwerkerfirmen leisten, so kritisieren Mieterverbände, Pfuscharbeit beim Rohreverlegen. Schäden in den vom Dachausbau betroffenen Wohnungen werden nicht behoben. Dem Berliner Mieterverein ist diese Sanierungstechnik als ständiges Ärgernis bekannt. Philosophie der Quadrat GmbH sei es, so ein Vertreter des Vereins, reihenweise Häuser aufzukaufen, um dann per Luxusmodernisierung die Mieten in die Höhe zu treiben. »Den Mietern einfach den Schornstein abzureißen, ist allerdings der Gipfel der Frechheit.«

Seit Oktober kriegt F. jetzt seine Wohnung nur noch per Elektroheizung warm. »Die Miete habe ich einbehalten und die nächste Stromrechnung geht an die Hausverwaltung«, zieht er die Konsequenz aus dem ofenlosen Winter. Denn, zwingen läßt er sich zu gar nichts »und schon gar nicht zu einem Anschluß an die Zentralheizung, nur weil einem die Leute das Dach über dem Kopf beziehen«. Christine Berger