Schamir beharrt auf „ewig israelischem Golan“

Minister Scharon will Zahl israelischer Siedler auf den Golanhöhen verdoppeln/ Viele Golan-Siedler fürchten einen geheimen „Ausverkauf“/ Innenminister für „Autonomielösung“/ Auch im Südlibanon kein Ende der israelischen Besetzung in Sicht  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

In Israel verhärten sich die Fronten über die Zukunft der Golanhöhen und eventuelle Friedensverhandlungen mit Syrien. Der als „Falke“ bekannte Wohnungsbauminister Ariel Scharon verschärfte am Montag die unnachgiebige Position der Regierung, als er dem Parlament in Jerusalem über Pläne berichtete, in den kommenden zwölf Monaten die Zahl der israelischen Siedler auf den Golanhöhen von derzeit 11.000 auf rund 20.000 praktisch zu verdoppeln. Auch Ministerpräsident Schamir bekräftigte einen kompromißlosen Kurs der israelischen Regierung in der Frage der 1967 eroberten und 1981 formell annektierten Golanhöhen: „Der Golan bleibt ewig israelisches Gebiet, und wenn die Syrer bei Verhandlungen den Golan fordern, sagen wir einfach Nein.“

Schamir konterte damit die Äußerungen seines Gesundheitsministers Ehud Olmert, der zuvor bei einem Besuch in Washington die Bereitschaft erklärt hatte, „über alle Fragen zu verhandeln, einschließlich der Gebietsansprüche der Syrer“. Der wie Schamir zur Likud-Partei gehörende Olmert löste großen Ärger unter den Golan-Siedlern und der israelischen Rechten aus, die einen geheimen „Ausverkauf“ fürchten. Man erinnert sich hier an die Geheimverhandlungen der Regierung Begin mit ägyptischen Vertretern, in denen die Rückgabe der Sinai-Halbinsel versprochen wurde, noch bevor der ägyptische Präsident Anwar el Sadat im November 1977 „plötzlich und unerwartet“ Jerusalem besuchte und damit den ersten offenen Schritt tat, der schließlich zum israelisch- ägyptischen Friedensschluß in Camp David führte. Und man erinnert sich auch noch an die traumatische Räumung der israelischen Siedlungen im Nord-Sinai, als der letzte Teil des Sinai vor zehn Jahren an Ägypten zurückgegeben wurde.

Ministerpräsident Schamir laviert derzeit zwischen dem Druck von Bush und Baker auf der einen Seite und den Hardlinern in Israel auf der anderen, die jeden Tausch „Land für Frieden“ ablehnen. Zu diesen überzeugten Hardlinern gehört auch Schamir selbst, und es sind die Umstände — wie gegenwärtig die Nahost-Reise von US-Außenminister Baker — die ihn dazu zwingen, in seinen Formulierungen und diplomatischen Gesprächen zuweilen „Beweglichkeit“ zur Schau zu tragen.

Eine versöhnlichere Haltung als die Likud-Politiker Schamir oder Scharon nimmt innerhalb der Regierung die orthodox-religiöse Schass- Partei ein. Deren Führer, der Innenminister Arie Deri, erklärte sich zu Kompromissen in der Golan-Frage bereit. Eine Möglichkeit hierzu sieht er in einer Demilitarisierung des Golan und einer „Autonomielösung“, die den israelischen Siedlern, den syrischen Bauern und den auf den Golanhöhen lebenden Drusen ein friedliches Nebeneinander ermöglicht, ohne eine neue Grenze zwischen Israel und Syrien zu ziehen.

Die 15.000 Drusen im Golan-Gebiet leben unter israelischer Herrschaft wirtschaftlich nicht schlecht und stimmen politisch mit Syriens Präsident Assad kaum überein, fühlen sich jedoch unverändert zu Syrien zugehörig. Den israelischen Annexionismus lehnen sie ab. Und im Unterschied zu den „israelischen Drusen“, die im Militär dienen und oft auch gegen Palästinenser eingesetzt werden, haben die Golan-Drusen immer wieder ihre Solidarität mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten zum Ausdruck gebracht. Kein Zweifel dürfte darüber bestehen, daß bei freier Wahl die Golan- Drusen es vorziehen würden, auf der syrischen Seite der Grenze zu leben.

Doch nicht nur in der Frage der Golanhöhen, auch bei der von Israel beanspruchten „Sicherheitszone“ im Südlibanon — dem zweiten zentralen Streitpunkt zwischen Israel und Syrien — zeigt Israel gegenwärtig Härte. So erklärte der Verbindungsoffizier der israelischen Armee im Südlibanon, General Micha Tamir, daß Israel seine Politik auf Jahre hinaus nicht zu ändern gedenke und die Kontrolle über die Sicherheitszone — sprich: die Besetzung des Südlibanon — nicht aufgeben werde. Damit an eine Änderung des Status quo überhaupt gedacht werden kann, müßten die Regierung in Beirut und die reguläre libanesische Armee stark genug sein, um verläßlich die Sicherheit des Südlibanon (und der Mitglieder der von Israel geschaffenen und ausgerüsteten südlibanesischen Söldnerarmee) garantieren zu können. Zudem müßten alle „terroristischen Organisationen“ aus dem Libanon verschwinden und der syrische Einfluß im Libanon radikal beschnitten werden. Die derzeitige Regierung bezeichnete Tamir als ein von Syrien eingesetztes „Marionettenkabinett“.

Und auch gegenüber den Palästinensern ist bei der israelischen Regierung nichts von dem von Baker beschworenen „Neuen Denken“ zu spüren. Den von PLO-Chef Arafat vorgeschlagenen direkten Dialog mit Israel lehnte ein Sprecher des israelischen Außenministeriums lakonisch mit dem Hinweis ab, daß Israel „nicht mit terroristischen Organisationen verhandelt“. Und auch die von Baker in Jerusalem empfangenen Palästinenserführer aus den besetzten Gebieten seien für Israel in keinem Falle akzeptable Gesprächspartner, erklärte Schamir: „Für mich sind das PLO-Leute.“