Polizeiinspektor wegen Wahrheitsliebe gefeuert

Paris (taz) — Die französische Regierung versucht offenbar, eine Affäre aus der Welt zu schaffen, indem sie ihr eine zweite hinzufügt. Nur so kann sich der Normalbürger erklären, warum Innenminister Philippe Marchand am Montag den Polizeiinspektor Antoine Gaudino entlassen hat. Gaudino hatte 1988/89 in Marseille nach falschen Firmenrechnungen gefahndet und dabei entdeckt, daß die Sozialistische Partei davon profitierte und die Wahlschlacht für Präsident Fran¿ois Mitterrand finanzierte. Diese Fahndungsergebnisse kamen jedoch nie vor Gericht; statt dessen wurde die eifrige Spürnase strafversetzt. Vor einem Jahr erließ die Regierung ein Amnestiegesetz, das alle Parteien vor weiteren Nachforschungen schützt.

Gaudino jedoch rebellierte. Eine Woche nach der Ernennung des Schatzmeisters der Präsidentschaftskampagne, Henry Nallet, zum Justizminister im Oktober erschien sein Buch L'enquète impossible — die unmögliche Fahndung. Es wurde ein Bestseller. Die Opposition warf dem neuen Justizminister vor, er sei „zugleich Richter und Partei“. Nun bestrafte also der Innenminister seinen Beamten, weil er „den Ablauf von Untersuchungen beschrieben, Informationen über das Funktionieren der nationalen Polizeidienste geliefert und auf maßlose Weise die Hierarchie kritisiert hat“. Durch seine Indiskretion habe Gaudino „die Demokratie aus dem Gleichgewicht gebracht“, sagte Marchand.

Der renitente Fahnder will nun das Verwaltungsgericht, den Staatsrat und den Europäischen Gerichtshof anrufen. „Dies ist wahrscheinlich die größte Behinderung der Justiz im letzten Jahrzehnt“, erklärte er im 'Figaro‘. Bettina Kaps