Das Referendum kennt nur Sieger

Patriotisches Abstimmungsverhalten auf den Südkurilen/ Verteidigungsminister Jasow wahrt Geheimnis  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Weitestgehendes Unverständnis muß bei vielen Sowjetbürgern die Entscheidung der Bewohner des Südkurilen-Distriktes ausgelöst haben. Anders als ihren kontinentalen Mitbürgern stand ihnen bei der Abstimmung über den Verbleib in der Union eine wirkliche Alternative zur Auswahl. Sie wurden nämlich gefragt: „Ist es möglich, die Südkurilen-Inseln an Japan zurückzugeben?“. In Anbetracht der Begehrtheit eines Sony-Fernsehers oder Panasonic-Videos, geschweige denn eines Honda Luxus, die in der UdSSR zu astronomischen Summen gehandelt werden, muß ihr klares „Ja“ zur Union ohne Abstriche als die patriotischste Leistung des Referendums gewertet werden. Von den 89 Prozent Wahlbeteiligten sprachen sich 78,1 Prozent gegen eine Rückgabe an Japan aus. 7,9 Prozent immerhin zeigten sich als wendige Grenzlandbewohner und schlugen eine doppelte Staatsbürgerschaft oder die Errichtung einer Freihandelszone vor. Doch die Mittelschicht in spe muß sich nun dem Mehrheitswillen beugen. Denn der hat längerfristig auch weitsichtiger gehandelt. Die Erfahrung des östlichen Deutschlands vor Augen, entschloß sie sich für eine langsamere Gangart in Anlehnung an das Hegelianische Entwicklungsprinzip: Fortschritt nur durch aufgeschobene Begierde.

Die Bewohner des Arsenalufers 71 in Leningrad ließen ebenfalls nichts an Klarheit zu wünschen übrig. Die mehr als 3.000 Insassen des dortigen Untersuchungsgefängnisses Kresti stimmten mit über 80 Prozent gegen die Union. Hier hat die Agitation der „Separatisten über das Völkergefängnis UdSSR wohl trügerische Hoffnungen auf eine Amnestie geweckt. Denn die wird auch ein Boris Jelzin nicht durchsetzen wollen, dem 94 Prozent indirekt das Jawort gaben, indem sie in der Zusatzfrage für das Amt eines eigenen Präsidenten der Republik Rußland stimmten. Im Endeffekt dürfte es für die Knastis ziemlich egal sein, ob sie unter russischem oder sowjetischem Hoheitszeichen einsitzen.

Weil die Wahlscheine für die Zusatzfrage über die russische Präsidentschaft nicht rechtzeitig eintrafen, werden die Bewohner der russischen Millionenstadt Kasan noch bis nächsten Sonntag wählen können. Die bestellten 800.000 Rubel und 14 Tonnen Papier treffen sukzessive ein. Der Ortsvorsitzende der Demokratischen Partei Rußlands hat sich dieser Aufgabe angenommen, offenkundig, weil er von den Unionsbefürwortern keine Unterstützung erhalten hat.

Rätsel gab Verteidigungsminister Dimitrij Jasow den Lesern der Moskowski Komsomolez auf. Auf die Frage der Journalisten nach seiner Referendumsentscheidung meinte der Marschall: „Ich habe für alles so gestimmt, wie es festgelegt war. Aber Ihnen verrate ich mein Geheimnis nicht. Bei uns gibt es schließlich das Wahlgeheimnis.“