Mietpreispolitik für Ex-DDR von Konzeptionslosigkeit geprägt

■ Trotz umfangreicher Wohngeldregelungen sind die zuständigen Verwaltungen in den neuen Bundesländern auf die neuen Verordnungen ungenügend vorbereitet

Überraschend umgefallen war das Bundesbauministerium im Laufe der vergangenen Woche: Die Instandsetzungsumlage für Ost-Mieter, die Mietsprünge um einige hundert Prozent beschert hätte, ist vom Tisch. Auch ansonsten ging die Bundesregierung vor dem Ost-Zorn in die Knie. Zwar werden ab August die Grundmieten verdoppelt und die Betriebs- und Heizkosten umgelegt, letztere werden jedoch auf zwei Mark pro Quadratmeter begrenzt. Das macht für einen Mieter in der Ex- DDR eine Gesamtmiete von immerhin bis zu fünf Mark/m2 aus.

Der Beschluß zeigt einmal mehr, daß die Mieterhöhungspolitik des Bundes für die ehemalige DDR eher von Konzeptionslosigkeit denn von sozialem Gewissen geprägt ist. So sind zwar gleichzeitig umfangreiche Wohngeldregelungen verabschiedet worden. Ob die jedoch rechtzeitig greifen, darf bezweifelt werden. Berlins Bausenator Nagel etwa rechnet mit 200.000 Ostberliner Wohngeldempfängern. Das entspricht fast einem Drittel der Mietparteien im Ostteil der Stadt. Bearbeitet werden diese Anträge von nur etwa 200 bis 300 Sachbearbeitern, so daß der einzelne Mieter wohl mehrere Monate auf sein Wohngeld warten muß. Noch Schlimmeres steht den anderen neuen Bundesländern bevor, die sich nicht an eine derart gut geölte Verwaltung anlehnen können. Der Vorschlag des Bauministeriums, das Wohngeld zwecks Vereinfachung direkt an den Vermieter auszuzahlen — der, mit den Unterlagen seiner Mieter versehen, eine „Sammelbestellung“ beim Wohngeldamt macht —, wirkt eher skurril als hilfreich.

Vor allem ist es völlig ungeklärt, wer denn die Instandsetzung und die Heizung nun bezahlen soll, wenn nicht die Mieter. Es gebe, so Bundesbauministerin Adam-Schwaetzer, ein zinsverbilligtes Kreditprogramm in Milliardenhöhe sowie weitere Zuschüsse der Bundesregierung in Höhe von 700 Millionen für dieses und nächstes Jahr. Davon sollen Instandsetzungen, Dachgeschoßausbauten, Fassadenrenovierung und der Einbau moderner Heizungsanlagen bezahlt werden. Zum Vergleich: Allein West-Berlin mit seinem sehr viel besseren Hausbestand als die neuen Ostländer gibt dafür jährlich 450 Millionen Mark aus. Für die Ostberliner Altbauten setzte Berlins Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) jährlich 740 Millionen Mark zur Instandsetzung und Leerstandsbeseitung an — Geld, von dem noch niemand so recht weiß, woher es kommt, wenn nicht aus dem überschuldeten Landeshaushalt. Um die Plattenbauten aus der Honecker-Ära auf Weststandard zu heben, brauche man in den nächsten zehn Jahren gar Milliardenbeträge, meint Nagel. Die anderen neuen Länder haben einen noch schlechteren Wohnungsbestand, aber geringeren finanziellen Spielraum. Den Vorschlag der Bundesbauministerin, Mieter sollten ihre Wohnungen für etwa 100 Mark den Quadratmeter kaufen, hält Nagel für „groben Unfug“. „Erstens geht der Mieter damit riesige Verpflichtungen ein — was die Reparatur und Sanierung der Wohnungen angeht. Und außerdem verschenkt der Staat da seine Belegungsrechte.“

Auch mit den nun zulässigen Heizkosten werden die östlichen Wohnungsbaugesellschaften nicht glücklich werden. Denn bei den altertümlichen, unregulierbaren Ost- Zentralheizungen betragen die realen Heizungskosten bis zu fünf Mark pro Quadratmeter. Die Differenz summiert sich pro Wohnungsbaugesellschaft und Monat auf Millionen, so daß eine Reihe kommunaler Wohnungsbaugesellschaften von Potsdam bis Erfurt inzwischen vor der Pleite stehen. „Kohlehändler liefern uns nur noch gegen sofortige Barzahlung“, meinte der Vorstand der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen, Ludwig Burkart. Die Unternehmen überlegen gar intern, die Mieten ohne gesetzliche Grundlage anzuheben, ihre Beschäftigten zu Streiks aufzufordern oder gemeinsam mit ihren Mietern Sit-ins beim brandenburgischen Ministerpräsidenten zu veranstalten. Wer die Defizite trägt, darüber steiten sich Bund und Länder. „Die Länder haben sich dazu bereits verpflichtet“, meint die Sprecherin der Bundesbauministerin, Lemke. Bei den Ländern ist davon nichts bekannt; zumindest der Berliner Bausenator leistet zwar auf freiwilliger Basis Abschlagszahlungen, wozu man jedoch nicht verpflichtet sei — schon gar nicht in voller Höhe, betont dessen Sprecher. Schützenhilfe erhalten die Wohnungsbaugesellschaften — die bereits eine Verfassungsklage eingereicht haben — von dem Berliner Verwaltungsrechtler Klaus Martin Groth, der der Potsdamer GEWOBA beratend zur Seite steht. „Der Bund ist rechtlich verpflichtet, diese Defizite zu übernehmen. Denn da er im Einigungsvertrag die Mieten festgesetzt hat, wäre es eine Enteignung, die Kosten dafür Dritten — also den Gesellschaften — aufzubürden. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht dem Staat bei einer vorangegangenen Klage verboten, Unternehmen so hohe Kosten aufzubürden, daß sie zwangsläufig in den Konkurs getrieben werden“, meint Groth. Verpflichtet sei auf alle Fälle der Bund und nicht die Länder, denn die hätten zum Zeitpunkt des Einigungsvertrages noch gar nicht existiert.

Ein anderes Problem dürfte den Ost-Mietern künftig womöglich noch mehr zu schaffen machen: Es mehren sich Fälle, wo ehemalige Eigentümer von Altbauten, die diese zurückfordern, den Wohnungsbaugesellschaften untersagen, Dauermietverträge auszustellen. So erstritt ein ehemaliger Eigentümer am Prenzlauer Berg eine einstweilige Verfügung. In „seinem“ Haus dürfte die noch verwaltende Gesellschaft nur noch Mietverträge auf ein Jahr abschließen. Das Beispiel macht Schule: So boten Berliner Wohnungsbaugesellschaften Besetzern Mietverträge an, die auf drei Jahre befristet waren — mit dem ausdrücklichen Hinweis, ihre Mieter würden auch nicht besser behandelt. Eva Schweitzer