WIEARBEITENKOMPONISTEN?

DERKLASSIK—TIP  ■  ADRIANA HÖLSZKY

„Der Schuster hat einen Hammer, der Schreiner einen Hobel, der Maler einen Pinsel, der Dichter eine Schreibmaschine“, so oder so ähnlich geht ein altes Kinderlied. Aber, was hat ein Komponist? Ganz einfach: einen Bleistift. Und Notenpapier, und einen Radiergummi. Das reicht. Eigentlich eine sehr unaufwendige Tätigkeit, das Komponieren. Aber wie geht das vor sich? Wird Maß genommen, zurechtgesägt, zerschnitten, gefügt und geleimt? Oder eher gezählt und gerechnet?

Ein Blick in die Werkstatt — bei den anderen Künsten längst üblich — von sechs Komponistinnen läßt sich durch eine Veranstaltungsreihe der „Musikfrauen e.V.“ werfen. Eröffnet wird die Atelierschau mit einem Konzert am 21. März um 20 Uhr im Otto-Braun-Saal. Die Komponistin Adriana Hölszky ist anwesend und wird in einem Gespräch einige Auskünfte geben. Zudem zeigt eine Ausstellung Skizzen, Partituren, Materialien aus der Arbeitsphase der Stücke. Schließlich erscheint noch ein umfangreiches Buch über die Komponistin. Mithin reichlich Gelegenheit zum Kennenlernen.

Ein Stück kann ruhig „schiefe Zähne oder krumme Beine haben, Hauptsache es lebt“. Die Komposition als selbständiges Lebewesen, als Organismus, der im vielgestaltigen Wachstumsprozeß zu sich gekommen ist — das zeigt ein Denken, das von der klanglichen Materie ausgeht und interessiert ist an „allem, was in ständiger Bewegung ist. Also die kleinen Modulationen, die Veränderungen, die filigranartige Modulation des Klanges.“ Der Natur abgelauscht: das Rinnen und Plätschern von Wasser, die wellenden Geräusche der Muscheln auf dem Sand.

Aber Vorsicht, nicht jedes Geräusch gehört der Idylle an. Wo der gewünschte Ausdruck es erfordert, wie in dem Stück Requisiten (1983), fehlt es nicht an Schärfe und Akzenten. Die Poesie der geräuschhaften Klänge in all ihren Schattierungen und Farbgemischen ist immer wieder Thema. Im Stück ... und wieder Dunkel ... (1986), für Klavier und Schlagzeug nach einem Gedicht von Gottfried Benn, sind die Übergänge zwischen den beiden Instrumentarien fließend. Die Saiten des Klaviers, mit Tüchern, Folien und Papier verhängt, und das Schlagzeug mit seiner Vielzahl von Geräuschfarben erscheinen wie zwei Aspekte einer Sache.

Das Hörfenster für Franz Liszt (1987) lenkt den Blick auf ein Panorama des Ungewöhnlichen neben dem Banalen: „Das Hörfenster öffnet sich und es kommen verstaubte pianistische Gesten der Liszt-Literatur in einem neuen Licht auf uns zu: sie erscheinen wie alte Utensilien auf einem Flohmarkt, ihrer ursprünglichen Bedeutung und Funktion entblößt.“

Abgerundet wird das Klangportrait, das vom Ensemble „Forum Neue Musik“ unter der Dirigentin Barbara Kaiser gezeichnet wird, mit den Flöten des Lichts (1988): eine Sängerin, fünf Bläser. Aber, wer singt da, wer bläst, wer raunt, wer hechelt? fh

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