Wiener Blut

■ Einen Abend im Walzer schwelgen: Letzte Chance

Sich einen Konzertabend lang dem Walzer hingeben, seiner Süße, seiner schwebenden Leichtigkeit, seinem Schmerz — und zwischen den Musikstücken den vom Weaner Dialekt eingefärbten Erläuterungen des Original-Wiener Dirigenten zu lauschen: Das hätten Zentral-BremerInnen letzte Woche Freitag abend gekonnt. Das Orchester der Bremer „Opera Piccola“ spielte auf zu einem wunderbar anmutigen „Frühlingskonzert“ mit Werken der Brüder Johann und Josef Strauß. Der Saal in der Kunsthalle bot Platz für hunderte Walzerbegeisterte, doch nur 38 waren erschienen — zu „Wien grüßt Bremen“. Eine neue Chance bietet sich nun noch den Bremen-NorderInnen. Morgen walzert die „Opera Piccola“ ab l9.30 im BürgerInnenhaus Vegesack.

Der aus Wien stammende Dirigent Petrus von Herberstein schien wahrhaft dem Walzerfieber erlegen. Er schwärmte von der Schöpferkraft des verkannteren der Straußbrüder, Josef, auch zärtlich „Peppi“ genannt. Und er berichtete anschaulich aus den Anfängen des Walzer- Tanzens, als dieses noch verboten ward — als Verursacher von „Schwindelgefühlen“ und „Blutsturz“. Im Überschwang sagte Petrus von Herberstein schließlich gen Ende des walzer- seligen Abends noch über Johann Strauß, dem Komponisten von Schwelge-Schwebe-Melodien wie „Wiener Blut“: „Wenn Johann Strauß heute leben würde, er wäre sicher so beliebt wie Gorbatschow.“

Was unser Walzer-Glück aber noch vollkommener machen würde, Herr Petrus von Herberstein, wäre ein leeres Stück Parkett im Saal und ein paar Original-Wiener Eintänzer. Dann wären auch wir nordischen WienerInnen nur noch „Wiener Blut“. B.D.