Das Ich und das Ich im transparenten Metakäfig

■ Rosemary Jarman und Rosemarie Schulze stellen gemeinsam in der Ost-West-Reihe »Konvergenzen« aus

Unter dem Titel Konvergenzen wurde im letzten Jahr per Gruppenausstellung eine Ausstellungsreihe vorgestellt, bei der je eine Künstlerin aus der DDR und eine Künstlerin aus dem Westen miteinander den Raum der Festspielgalerie gestalten sollten. Das von Berliner Künstlerinnen und Kunstrezensentinnen initiierte Projekt will Frauen, die ihre Arbeit in verschiedenen Gesellschaften erlernten und entwickelten, durch diese Zusammenarbeit zu einer Annäherung bringen. Bei der Gruppenausstellung wurden Arbeiten von allen beteiligten Künstlerinnen gezeigt. Die Unterschiede zwischen Ost und West wurden sowohl in Art und Umgang mit dem Material als auch in den Bildinhalten deutlich. Wie die Annäherung der verschiedenen Ausdrucksweisen gelingt, wird sich in den jetzt begonnenen Paarausstellungen zeigen.

Mit einer Gemeinschaftsarbeit der britischen Wahlberlinerin Rosemary Jarman und der Zepernickerin Rosemarie Schulze wird der Konvergenzen-Paarlauf eröffnet.

Um in die Festspielgalerie zu gelangen, taucht man mit dem Kopf zuerst in den Raum, sieht jedoch nur die Fensterfront vor sich und verrenkt sich den Kopf beim Treppehochgehen, um ja nicht von dem, was noch zu sehen ist, von hinten überrascht zu werden. Eine U-Boot-Fanatikerin muß diesen Aufgang konzipiert haben. Erst, wenn man den Raum noch in der Körperdrehung im Blick erfaßt hat, wird man ruhiger. Nichts Bedrohliches in Sicht. Auch kein überraschendes Geräusch, das einen erschrecken könnte. Urängste werden wach, beim Aufstieg in einen Raum, von dem man weiß, daß er im Augenblick lediglich als Kunsttempel fungiert. Und ohne es zu erwarten, wird diese Angst durch die Abstraktion der ausgestellten Arbeit bestätigt.

In der Mitte des Raumes sind vier der sechs tragenden Pfeiler rot bemalt und als Begrenzungen für einen mit transparenten Fäden markierten Käfig benutzt. In diesem Käfig liegen oder hängen mit schwarzen Strichen markierte Fetzen. Unordnung, Chaos, nicht mehr zu Sichtendes drücken diese Papiere und Stoffetzen aus. Die schwarzen Farbmarkierungen sind die Spuren, die darauf hinterlassen wurden, aber nicht mehr zu entziffern sind. Sie sind wie die Keilschrift der neuesten Vergangenheit. In diesem Raum stehen und sitzen drei Figuren. Diese haben keine individuellen Charakteristika. Sie sind so in das Chaos dieses transparenten Gefängnisses eingefügt, daß sie keinen Kontakt miteinander haben. Die sitzende Figur verharrt in einer Pose der Verzweiflung, die stehenden Figuren drücken Gleichgültigkeit aus.

Entlang der Wände des Raumes wurden 2 mal 1 Meter große Glasscheiben eine neben der anderen aufgestellt. Die nicht transparenten Lamellen der Vorhänge auf der Fensterseite wurden teilweise durch transparente Lamellen ersetzt. Das aus Glasplatten bestehende Geländer, das den U-Boot-ähnlichen Treppenaufgang schützt und die erste transparente Begrenzung darstellen soll, wird, so sagt die Künstlerin, in den Glasplatten entlang der Wände wiederholt. Die Besucherin stürzt von einem durchsichtigen Gefängnis ins nächste und wird durch die darin herumstehenden Figuren an sich selbst erinnert.

Die einzelnen Teile der Rauminstallation sind nicht den jeweiligen Künstlerinnen zugeordnet, trotzdem ist klar, von wem was gemacht wurde. Zu deutlich ist der Bezug der im durchscheinenden Käfig eingesperrten Figuren in ihrer nicht mehr zu entziffernden Umgebung zu den Erzählungen von DDRlern, als daß das Resultat der radikalen Aufgabe der DDR-Vergangenheit und das dadurch entstandene Vakuum nicht darin zu lesen wäre. Da diese Idee von der Betrachterin mit westlichem Hintergrund nur getrennt von ihrer Erfahrung zu Ende gedacht werden kann, obwohl sie doch selbst in einem transparent gemachten Käfig steht, in dem es überhaupt keine Referenz mehr an Gegenwart oder Vergangenheit gibt, hat die Betrachtung des Gefängnisses nichts Bedrohliches. Das Gemeinsame der Arbeitsansätze der Künstlerinnen bleibt gleichzeitig auch das Fremde.

In der Ausstellung werden die verschiedenen Ich-Konzeptionen der Künstlerinnen thematisiert. Rosemarie Schulzes Käfig hält das Ich und die andere gefangen. Rosemary Jarmans Metakäfig hält dagegen das Ich und das Ich gefangen, ohne daß das Ich es weiß. Rosemary Jarmans erste Installationsidee, die weniger schwierig zu verstehenden Unterschiede zwischen ihr und Rosemarie Schulze zu thematisieren, wäre noch abstrakter gewesen. Wollte sie doch zuerst nur das »i«, das »e« und das »y« ihrer eigentlich gleichen Namen transparent scheinen lassen. Waltraud Schwab

Die Ausstellung Konvergenzen, Teil 1 ist noch bis zum 27. März in der Festspielgalerie, Budapester Straße, zu sehen.