Vietnamesischer Eintopf

■ »Combat Shock« im Eiszeit

Stell dir vor, der Krieg ist vorbei und keiner sieht sich Combat Shock an. Oder, stell dir vor, du warst gar nicht im Krieg, mußt dir aber trotzdem das Demotape der Eraserhead-Tonspur anhören. Während du versuchst, dich innerlich auf das Begräbnis deiner Mutter vorzubereiten, probieren die drei Nachbarskinder deinen neuen Heimsynthie aus. Als du die Augen öffnest, merkst du, daß du im Kino sitzt: Das amerikanische post-war-Lumpenproletariat der Siebziger warnt dich vor tropfenden Wasserhähnen, die zehn Liter Nervenkraft in einer halben Stunde verwenden und irgendwann den Amoklauf provozieren.

Solche Filme wie Combat Shock sind ein willkommener Anlaß, sich zu überlegen, wann und wie wohl die neue Generation Kriegsheimkehrer ausrasten wird (nein, nicht der Sandkastenwitz). Aber um ein entsprechendes Filmgenre zu schaffen, war der Golfkrieg zu kurz und zu siegreich. Und 1989 blieb Regisseur Buddy Giovanazzo sowieso noch gar nichts anderes übrig, als eine Punk- Coverversion von Taxi Driver zu drehen, das I-shot-them-my-way. Statt Robert de Niro, der mit Greetings, Hi Mom! und Taxi Driver dem Vietnamtrauma ein Gesicht gegeben hat, schwitzt und stinkt in der Hauptrolle ein weiterer Giovanazzo (S Punkt), der aussieht wie Jeff Goldblum in Die Fliege. Auch er hat ein Herz für Kindernutten, ist aber verheiratet, hat ein Kind, keine Arbeit und wird von schweren Alpträumen geplagt. Noch glaubt er, er sei desertiert, als seine Kompanie bei der Ausrottung eines vietnamesischen Dorfes durchdrehte und sich selbst den Garaus machte. Und selbst, wenn er sich noch nie an die noch etwas schlimmere Wahrheit erinnert hätte — man würde es trotzdem verstehen: sozialer Aderlaß tat not. Vergieße Blut, damit deine Stadt schöner wird! In der Ausstattung der für ihre modernen B-Movies berüchtigten Troma Productions (u.a. Toxic Avenger, Surf Nazis must die) kann und will auch überhaupt keiner überleben. Das Wort Abschaum hat wieder einen Sinn. Maßstab für die neue Ekligkeit dürfte die Szene sein, wo ein Junkie im Müll sitzt, sich einen alten Draht greift und damit eine seiner eitrigen Venen aufbohrt, um auf die Wunde etwas Heroin zu pudern.

Wie gehabt bildet allerdings die Kleinfamilie das Zentrum der Trostlosigkeit. Da haben wir den Prototyp Ehefrau und Mutter und den maskenbildnerischen Gag des Films, das Baby mit einem Gesicht aus ungebackenem Fimo, immer ein guter Grund, sich abzuwenden. Dank des Ideenreichtums der drei Nachbarskinder und dem inzwischen dritten Giovanazzo, J Punkt (zuständig für die Musik), heult das Ding Copyright Eraserhead wie eine Luftschutzsirene, was sein Ende — garend im eigenen Saft — voraussehbar und wünschenswert macht.

Kein Zweifel, in Combat Shock wurden die zwei Filmkarosserien von Scorsese und Lynch total verschrottet. Statt eines erfolgreichen Vollstreckungszugs gegen den Abschaum führt die besonders schleimige Blutspur den Veteran nur zur Erkenntnis der eigenen Schuld, was einige sehr unschöne Flecken auf der Tapete abgibt. Und das Plastikklumpbaby inklusive Geräuschkabinett ist von Lynch auch nur geklaut, um es von dem Makel des katholischen Filmführersternchens zu befreien. Nie wieder Surrealismus! Michael Hertz und Lloyd Kaufmann von Troma Productions können sich nach ihrem Einzug in den Videomarkt vielmehr zugute halten, nun den Kriexploitationsfilm in die Kinos gebracht zu haben. Ich hätte auch nicht gedacht, daß es schon soweit ist. Kotze zu Pflugscharen und Blut fürs Geld. So geht das! kolt

Combat Shock von den drei Giovanazzos (oder dem einen) ab heute jeweils 23.30 im Eiszeit.