Investoren wollen in Polen meist alles oder nichts

■ ABB wird bald das Elektro-Geschäft dominieren/ Weltweit Umsatzsteigerungen des schwedisch-schweizerischen Konzerns

Warschau/Berlin (taz/dpa) — Asea Brown Boveri (ABB) ist dabei, gleich in mehrere polnische Staatsbetriebe einzusteigen. Wie die polnische Wirtschaftszeitung 'Zycie Gospodarcze‘ (Wirtschaftsleben) berichtet, verhandeln Bevollmächtigte des Konzerns über die Übernahme des größten Teils der Transformatorenfabrik Elta in Lodz. ABB will zunächst 40 Prozent der Anteile vom polnischen Staat übernehmen, später dann die Mehrheit.

Dem schwedisch-schweizerischen Elektro- und Maschinenbaukonzern geht es gut. 1990 konnte er seinen Umsatz kräftig um 30 Prozent auf rund 43 Milliarden Mark, steigern. Außerdem freut sich ABB über volle Auftragsbücher, wie der Konzern gestern in Berlin bekanntgab. Der Gewinn nahm jedoch nicht in dem gleichen Maße zu, sondern nur leicht von 589 auf 590 Millionen Dollar.

Für weiteres Wachstum hat ABB offensichtlich Polen als neuen Standort auserkoren. Ein Joint-venture- Vertrag mit dem Turbinenhersteller Zamech in Elblag (Elbing) südöstlich von Danzig ist bereits unter Dach und Fach, ebenso eine 40-Prozent- Beteiligung am Breslauer Generatorenhersteller Dolmel. Zuvor hatte ABB bereits ein Joint-venture mit 20prozentiger Beteiligung an Dolmel gegründet.

Im neuen Gesellschaftsvertrag ist nun verankert, daß ABB seinen Anteil ab 1.Juli 1991 zunächst auf 55 Prozent, ein weiteres Jahr später auf 67 Prozent erhöhen kann. ABB ist an Dolmel über die Tochter ABB Participations Ltd. mit Sitz in Zürich mit drei Millionen Dollar beteiligt, der Betrag kann bis 1992 auf knapp zehn Millionen steigen. Angesichts der Tatsache, daß Joint-ventures in Polen durchschnittlich gerade eine ausländische Beteiligung von 100.000 Dollar aufweisen, ist dies ein durchaus eindrucksvolles Engagement.

Daß es nicht nur positiv aufgenommen wird, hängt damit zusammen, daß man in Polen eine marktbeherrschende Stellung des ausländischen Riesen befürchtet. So soll sich ABB gleichzeitig auch noch um einen Einstieg beim Kesselproduzenten Rafako und um die Übernahme einer Kabelfabrik bemühen. „Wer wird etwa jene 313.000 in Polen installierten Transformatoren warten, wenn ABB zum Schluß kommen sollte, daß sich das nicht lohnt?“, fragt beispielsweise 'Zycie Gospodarcze‘. Im Fall von Dolmel und Zamech kann ABB zunächst nur 15 Prozent des in Polen entstandenen Gewinns nach Zürich transferieren, alle weiteren Verträge dürften jedoch bereits unter das neue Joint-venture- Gesetz fallen, das 100 Prozent Transfer gestatten wird.

Für die beteiligten Staatsbetriebe und deren Belegschaften bietet das Engagement von ABB vor allem Vorteile: Als Joint-ventures sind die polnischen Firmen automatisch von der gefürchteten Lohnzuwachssteuer befreit, die an den Staat zu entrichtetende Kapitalverzinsung entfällt ebenso. Trotzdem gibt es Widerstände: Die Belegschaft von Rafako möchte den Betrieb lieber in Eigenregie übernehmen. Das Problem dabei: Selbst wenn das Kapital der Belegschaft zum Kauf ausreicht — für Modernisierungen würde es knapp.

Im Zweifelsfall sitzt auch hier ABB am längeren Hebel, zumal sich bisher in keinem Fall ein ernsthafter Mietbieter hat blicken lassen. Vor diesem Problem, daß ausländische Konzerne alles oder nichts wollen, stehen auch andere polnische Betriebe. Die Regierung hat oft keine Wahl — es fehlt an Mitbietern. Klaus Bachmann