Referendum als Votum für die Perestroika

Moskau (dpa) — Die sowjetische Führung sieht in dem Ergebnis des Unionsreferendums ein Votum für eine Fortsetzung der 1985 begonnenen Politik der Demokratisierung. Dies sagte Präsidentenberater Grigori Rewenko vor der Presse in Moskau nachdem die wesentlichen Ergebnisse aus allen Landesteilen vorlagen. Gleichzeitig räumte Rewenko ein, das Referendum habe auch gezeigt, daß die Bürger zwar für die Einheit des Staates seien, daß aber „nur wenige eine mächtige Sowjetunion sehen wollen“. Das Ergebnis entspreche „nicht unbedingt dem, was wir erwartet haben“. Dennoch wertete er das Abstimmungsergebnis „als großen Impuls für die Unterzeichnung eines Unionsvertrages“.

Nach den Ergebnissen aus 436 der 1.059 Wahldistrikte haben 77 Prozent der Wähler für den Erhalt der Union gestimmt. Dabei hat die Wahlbeteiligung in den neun Republiken, in denen die Volksabstimmung „unter normalen Bedingungen“ stattfand, bei 82 Prozent gelegen.

Nach Angaben des Wahlleiters erreichte die Wahlbeteiligung in den zentralasiatischen Republiken 90 Prozent. In der Ukraine und Weißrußland seien 80 Prozent der Wahlberechtigten zur Abstimmung gegangen, in der russischen Föderation und in Aserbaidschan 70 Prozent. Die Wahlbeteiligung in den sechs Republiken, die das Referendum offiziell boykottiert hatten, sei ebenfalls hoch gewesen. So hätten in Moldawien von den 4.3 Millionen Wahlberechtigten 650.000 abgestimmt. In Litauen hätten über 500.000 an dem Referendum teilgenommen — bei dem eigenen Referendum der Litauer waren es 2.24 Millionen Wähler gewesen, von denen sich über 90 Prozent für die Unabhängigkeit ausgesprochen hatten.