Baustopp für AKW Stendal endgültig

■ Der bei der atomrechtlichen Landesbehörde Sachsen-Anhalts eingereichte Genehmigungsantrag für die 1.000-Megawatt-Blöcke soll zurückgezogen werden/ KKW-Gebäude künftig als Gemüselager?

Stendal. Planung und Bau des von der DDR-Regierung in Stendal vorgesehenen Atomkraftwerkes werden nun endgültig nicht mehr fortgesetzt. Wie die AKW Stendal GmbH am Mittwoch informierte, habe dies der Aufsichtsrat des Unternehmens am Vortag beschlossen. Der bei der atomrechtlichen Landesbehörde Sachsen-Anhalts eingereichte Genehmigungsantrag für die 1.000-Megawatt-Blöcke werde zurückgezogen. Wolfgang Brinck, Sprecher der Unternehmensleitung sagte, dieser schwerwiegende Beschluß sei eine Konsequenz aus den mit der deutschen Vereinigung veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Nachdem im vergangenen Jahr die Bauarbeiten an dem nach sowjetischer Technologie konzipierten Atommeiler eingestellt worden waren, hatte bislang die unternehmerische Entscheidung darüber ausgestanden. Jetzt habe die Leitung mit dem klaren Stopp entschieden, da dem AKW keine Kredite zur weiteren Planung mehr gewährt worden seien.

Die Zukunft des mehrere Quadratkilometer großen Bauplatzes an der Elbe hängt nach Einschätzung der Unternehmensleitung von der Bereitschaft der Energieversorgungsunternehmen ab, an diesem Standort ein anderes Atomkraftwerk modernster Bauart zu errichten. Eine Investionsentscheidung darüber liege jedoch noch nicht vor. In Stendal wird erwogen, für ein neues Kraftwerk wenigstens die drei Kühltürme zu nutzen. Jetzt werde die Demontage einzelner Komplexe der Investruine vorbereitet, in die die DDR über Jahre insgesamt mehr als fünf Milliarden Mark investierte. Zeitweise waren auf dem Gelände 10.000 Bauleute aus fast 100 Betrieben beschäftigt. Nach Informationen Wolfgang Bricks müssen auf jeden Fall die Hüllen der Reaktorgebäude abgerissen werden. Die mit einer Höhe von 80 Metern konzipierten Kuppelbauten aus Stahl und Beton seien am Block1 zu etwa 70 Prozent und am Block2 zu etwa 15 Prozent fertiggestellt gewesen. Es gebe Überlegungen, einzelne Materialien — beispielsweise die Träger — für andere Zwecke zu nutzen. Auch im Falle eines KKW-Neubaus müsse sich die GmbH jedoch von einzelnen Unternehmensbereichen trennen. Ziel sei es, sie zu einem Gewerbe- und Technologiezentrum in der Altmark zu profilieren. Unter anderem sollen so die gesamte ehemalige Baustelleneinrichtung, ein Werkstatt- und Lagerkomplex sowie Maschinen- und Stahlbaukapazitäten vermarktet werden. Auf eine Ausschreibung hätten inzwischen sogar Handelsketten reagiert, die sich für die ausgedehnten Lagerhallen interessieren. Gegenwärtig, so der Sprecher, habe die KKW GmbH noch Arbeit für rund 300 Beschäftigte.

Rund 500 mußten auf Kurzarbeit gesetzt werden. Drastische Folgen habe das Aus auch für die Dutzenden Bauunternehmen, die sich in Stendal für mehrere Jahre eingerichtet hatten. Die überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit von 11,8 Prozent in der Region hatte Premier Gies als eine Begründung für den möglichen Neubau eines AKW in Stendal ins Feld geführt. Gegen das auch vom Bund befürwortete Vorhaben haben sich inzwischen schon lautstark SPD und Grüne von Sachsen-Anhalt zu Wort gemeldet. adn