SPORTKOLUMNE VON KLAUS NÜSSER
: Gewalt grenzenlos — Der Sport ist ratlos

■ Hooligans haben am Mittwoch in Dresden den Spielabbruch eines Europacup-Treffens provoziert

Sind Fußballspiele in Zukunft nicht mehr Aufgaben für die Sportjournalisten, sondern für die Polizeireporter? Nach den Randalen in Dresden, die zum ersten Mal im Osten Deutschlands zum Abbruch eines Europacup-Treffens führten und den Krawallen am Wochenende in Rostock, Halle, Cottbus und Hamburg, ging es in der Presskonferenz vor dem Spiel FC Berlin gegen FC Rot-Weiß Erfurt am Dienstag gar nicht um die Spieleraufstellungen und den sportlichen Teil des Treffens. Die Leitung des FC Berlin gab eine Erklärung ab, in der minutiös die Vorfälle von Rostock — die Demolierung von 17 Geschäften, ein zertrümmerter Zug — Schaden etwa 750.000 DM, 21 Verletzte, die eine Schlacht zwischen 500 Hooligens und 642 Polizisten und Bundesgrenzschutz forderte — aufgelistet wurden. Eine Lösung, wie man den Ausschreitungen Einhalt gebieten kann, konnte nicht angeboten werden. Zum Spiel kamen dann 565 Zuschauer, die von 250 Polizisten überwacht wurden. Auf dem Gelände des Jahn-Sportparks blieb es für dieses Mal friedlich. Deutlich wurde jedoch, daß kaum „echte“ Fußballzuschauer da waren. Beim Anpfiff befand sich neben den Ordnungshütern, Journalisten und Klubfans kaum jemand auf den Rängen. Die „Echten“, Beinharten, kommen nach und nach im Verlaufe der ersten Halbzeit und provozieren auch mal, wenns sein muß, einen Spielabbruch, wie am Mittwoch in Dresden geschehen. Das Stadion ist vielleicht dem militanten Milieu der grölenden „Anhängerschar“ geschuldet, ihr Aufmarschgelände, von dem aus zu Krawallen im Anschluß der „Sportvorstellung“ geblasen wird. Woher das Gewaltpotential kommt? Wie sind solche Vorfälle, wie die vom vergangenen Jahr in Leipzig, zu verhindern, bei denen Mike Polley einen sinnlosen Tod starb?

„Auseinandersetzungen“ am Rande von „Großveranstaltungen“ gab es auch schon zu Lebzeiten der DDR und sie häuften sich. Da kam Unzufriedenheit mit den Verhältnissen hoch, auch Lust zum Abenteuer, „Bewähren“, Auflehnen gegen die Regeln des stinknormalen Lebens der satten und bequem gewordenen Erwachsenen. Die „Wende“ hat nun wenig daran zu ändern vermocht, eher sind neue Probleme dazugekommen: soziale Ängste, Arbeitslosigkeit... Die Fußballvereine können das nicht lösen. Der FC Berlin hat zwar versucht, mit den „schlimmsten Fans“ zu reden, zu DDR-Zeiten betreuten mehr oder weniger alle Klubs der Oberliga Nordost „ihre“ Fanklubs. Geholfen hat's nichts. Die Hooligans ziehen weiter.

Jetzt finden sich einige Schlauberger, die den Ostfußball am liebsten gar nicht in der Bundesliga sehen möchten. Trainer Uwe Reinders von Hansa Rostock droht, seinen Job hinzuwerfen... Das bringt auch nichts, die Hooligans würden trotzdem die Bundesliga-Stadien auf- und heimsuchen und dann ihr Mütchen kühlen. Also: Noch mehr Polizei, noch „härter“ durchgreifen; der Ruf nach dem Staat, der die Gewalt eindämmen soll? Der Fußballverband Nordost ist nach eigenen resignierten Angaben jedenfalls machtlos. Eins ist sicher, der Sport darf der Gewalt nicht weichen, Gewalt ist nicht das Problem des Sports. Gleichgelagert sind die alltäglichen „Schlachten“, die an allen möglichen Fronten geschlagen werden, ob nun links- oder rechtsradikal, zwischen Hausbesetzern und Polizei, auf Demos, bei Randalen, Krawallen und bei anderen Gelegenheiten, sich abzureagieren; die haben mit „Sport“ nichts zu tun.