Die Ordnung der Eingeweide

■ David Brandt fotografierte auf Berliner Schrottplätzen

Es gibt Menschen — sie müssen jedoch noch sehr in ihrer Entwicklung zurückgeblieben sein — die lassen ihre Autos fallen, wo sie gerade gehen und stehen. Sie muten ihren Altgedienten feuchte Straßengräber zu, legen sie zur schlechten Gesellschaft von ausgelatschten alten Schuhen, nicht mehr oppurtunen Schulbüchern und abgewichsten Pornos, auf daß sie alsbald öffentlich gefleddert werden. Doch nicht genug dieser urtümlichen Form der Entäußerung menschlicher Abscheidungen: irgendwann werden sie selbst wieder zum öffentlichen Klo.

Wer sein Auto hingegen wirklich liebt, der schiebt's auf einen gut geführten Schrottplatz zur letzten Ruhe. Auch hier wird ihm mit Brechstangen zu Leibe gerückt, doch nach den Regeln der Kunst. Die Ordnung hier hat unbedingt etwas Beruhigendes und auch Würdevolles: Die partielle Deformation, die eingedrückten Kotflügel, die zum Dreieck zusammengeschobene Schnauze, der verzerrte Rahmen — Erinnerungen an den großen Schwindel und den großen Unfall, sie verwischen sich schon dadurch, daß die Karosserien friedlich aufeinander gestapelt sind. Ernsthaft und konzentriert schrauben dann Spezialisten in gelöster Haltung in ihnen herum. Das ist dann wie beim Arzt. Da muß man sich nichts Schlimmes mehr dabei denken.

Übrig bleiben irgendwann dann diese Reihen mit Motoren und Motorenteilen. Die sind kostbarer als Perlenketten — das ist die aufgereihte Kraft. Nur daß sie eben stillgelegt ist. Und genau das macht ihre Spannung.

Sie finden diese Betrachtungsweise zu antropomorph, wollen das Menschenähnliche in der Mobilitäts- Defizitbeseitigungsmaschine verleugnen? Dann haben Sie kein Herz. Gabriele Riedle