Namibia feiert leise seine Freiheit

■ Die Welt ignoriert Namibias Jahrestag/ Präsident Nujoma betont die Versöhnung mit den Weißen

Windhuk (taz) — „Der Schüler und sein Meister“ — das war bei der ersten Jahrestagsfeier der Unabhängigkeit von Namibia unbestritten das Verhältnis zwischen Präsident Sam Nujoma und seinem Gast Robert Mugabe aus Zimbabwe. „Ein Jahrzehnt nach Ihrer Unabhängigkeit konnte wir bei der Geburt unserer Nation vor zwölf Monaten nützliche Lehren aus Zimbabwes Beispiel ziehen“, erwies Namibias Staatsoberhaupt seine Reverenz. Robert Mugabe hatte zuvor die Notwendigkeit der „nationalen Versöhnung“ in einem Satz zusammengefaßt: „Die Zukunft ist zu wichtig, als daß sie Geisel der Vergangenheit sein darf“ — eine Bestandsgarantie vor allem für die Weißen im südlichen Afrika.

Es war eine Jahrestagsfeier mit betont schlichtem Charakter, weit entfernt von den fieberhaften diplomatischen Aktivitäten, die während der Unabhängigkeitsfeiern vor einem Jahr geherrscht hatten. Damals gaben sich in Windhuk die Außenminister der Supermächte die Klinke in die Hand. „Wir werden von der Geschichte ausradiert“, klagte diesmal Fernsehnachrichtenchef Joe Pütz. Namibia hatte bis Donnerstag morgen ganze 15 Glückwunschtelegramme erhalten — unter anderem von den Malediven. Bonn gehörte zu den Regierungen, die den Termin nicht zur Kenntnis nahmen.

Dabei hat Namibias Entwicklung auch ein Jahr nach der Unabhängikeit weiter eine gewisse Beispielfunktion für das benachbarte Südafrika. Sam Nujoma und Robert Mugabe schienen um Schützenhilfe für den „African National Congress“ unter Nelson Mandela bemüht — indem sie versuchten, die weißen Minderheiten zu beruhigen. Der heutige Kurs der ehemaligen schwarzen Befreiungsbewegungen: Aussöhnung und Besitzstandswahrung für die weiße Minderheit.

Namibias Staatspräsident Sam Nujoma machte bei seiner Rede zum Jahrestag im Stadion der Hauptstadt Windhuk denn auch nicht die „Nationale Versöhnung“ mit den Weißen für ausgebliebene Veränderungen verantwortlich, sondern die wirtschaftliche Entwicklung. Mit der Unabhängigkeit Namibias sei der Geldstrom aus Südafrika versiegt. Die Krise im Bergbau, im Fischereisektor und in der Landwirtschaft hätten zu weiteren Einnahmeverlusten geführt.

Freilich dürfte erst das zweite Jahr zeigen, wie es um die Zukunft des Landes steht. So haben sich im Parlament schnell demokratische Spielregeln herauskristallisiert und eine politische Kultur etabliert. Aber die Swapo muß immer noch den Schritt von der Befreiungsbewegung zur Massenpartei bewältigen. Wie schwierig das ist, zeigt das Beispiel der Gewerkschaften. Nach einjährigem Tauziehen hinter den Kulissen wollen Ende März die Gewerkschaften ihre Unabhängigkeit von der Swapo deutlich machen. Immer noch ist nicht völlig sicher, daß dies gelingen wird. Willi Germund