Unsinniges Raketenschießen im Nationalpark

Kreta, wo bislang das kostspielige „Vergnügen“ veranstaltet wird, ist Bonn auf die Dauer zu aufwendig geworden/ Die Bürgerinitiative „Schießplatz a.D.“ in Zingst/Darß/ Die Ahnungslosigkeit einer Ministerin/ Demo am Ostersonntag  ■ Von Hendrik Röder

Potsdam (taz) — Zingster und Ahrenshooper Bürger wehren sich verzweifelt gegen die Pläne des Bonner Verteidigungsministeriums, den „traditionsreichen“ Wehrmacht- NVA-Schießplatz in der Kernzone des Nationalparks „Vorpommersche Boddenlandschaft“ nunmehr für die Bundeswehr zu erhalten und auszubauen. Die Bürgerinitiative „Schießplatz a.D.“ konnte allein in Zingst 1.250 Unterschriften gegen den Fortbestand dieser widersinnigen Einrichtung sammeln. Den Zingstern geht es dabei schlicht und ergreifend um den Erhalt ihrer Lebensgrundlage — den Tourismus. Nicht zuletzt geht es aber auch um die vom weiteren Betrieb des „Poligons“ ausgehenden Gefährdungen für Flora und Fauna in dieser Küstenregion, in der sich einer der größten Kranichrastplätze Europas befindet. Die Unterschriften konnten zum Neujahrsempfang dem Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker von Pfarrer Ulrich von Saß übergeben werden.

Bis auf wohlwollende Worte hat es jedoch bisher keine positive Reaktion auf das Begehren der Darßbewohner gegeben. Um in die Offensive zu kommen, beschloß ihrerseits die öffentliche Gemeindevertretung von Zingst auf kommunaler Ebene die Schließung des Schießplatzes bei nur einer Stimmenthaltung. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung, so der Bürgermeister der Ostseegemeinde Werner Kuhn, hat sich eindeutig gegen den Schießplatz ausgesprochen.

Während der Exkursion einer Delegation des Schweriner Landtages, zu der auch die Umweltministerin Dr. Petra Uhlmann gehörte, erläuterten am 8. März Oberstleutnant Hollmann vom Heereskommando Ost und Kommandeur Major Groenhagen en detail ihre militärischen Pläne. Demnach soll der Schießplatz 300 Hektar Land und ein 20 mal 20 Kilometer großes Seesperrgebiet umfassen (Die Raketen werden in Richtung Ostsee abgeschossen). Auf diesem Areal soll ab 1991 das STRELA- und ab 1993/94 ROLAND-Schießen abgehalten werden.

Der Abschuß einer ROLAND- Rakete erfolgt von einer mobilen, gepanzerten Abschußrampe, damit „sind sie eindeutig für die Offensive und nicht für die Defensive gedacht“ (M. Afheldt, Norddeutsche Zeitung 25.2.1991). Dem widerspricht der Auftrag der Bundeswehr, lediglich „Verteidigungsbereitschaft“ zu gewährleisten, was in diesem Falle offensichtlich über die Dinge hinaus zu „schießen“ droht.

Mit dem Gemüt kindlicher Ausschließlichkeit behaupten die Militärs, nirgendwo anders in Deutschland und Mitteleuropa „gibt es einen derartig attraktiven Standort“. (Wobei der militärische Gesichtspunkt bei allen Einschätzungen Priorität haben dürfte, was sollte auch ein Offizier anderes sagen können.) Die Insel Kreta, auf der bislang das kostspielige „Vergnügen“ veranstaltet wird, ist Bonn auf die Dauer zu aufwendig geworden. Als am 6. Februar des Jahres Vertreter der Kommune (Bürgermeister und Präsident) auf der Bonner Hardthöhe vorsprachen um gegen die Pläne des Stoltenbergschen Ministeriums zu protestieren, wurden sie aus den genannten Gründen abgewiesen. Ohne Zweifel fällt es den Militärs schwer, über die Frage nachzudenken, ob nicht angesichts der Ost-West-Abrüstung die Abschaffung des Militärstandortes auf dem Darß generell ins Kalkül zu ziehen wäre.

Ein Ergebnis hat die Politiker-Exkursion aus Schwerin wenigsten dennoch gebracht: Die bis dato ahnungslose Umweltministerin konnte über die Dinge aufgeklärt werden, denn bisher sei das Land Mecklenburg- Vorpommern „völlig im Unklaren gelassen worden und habe von den Plänen der Bundeswehr nur aus der Zeitung erfahren“ (Dr. Petra Uhlmann, Ostsee-Zeitung, 12. März). Bravo, völlig zu Recht wies sie darauf hin, daß Militär und Naturschutz nicht zusammenpassen. Nicht ausgeschlossen bleibt, daß die verfahrene Rechtssituation endgültige Entscheidungen hinauszögern wird. Nach den Worten des OTL Hollmann gilt der Paragraph 38 des Bundesnaturschutzgesetzes seit dem 1. Juli 1990 in den Altbundesländern, während die Nationalparkordnung der DDR erst am 17. September 1990 beschlossen wurde. Aber die DDR existierte schließlich bis zum 2. Oktober 1990. Wenn Zingst das Flair einer Garnisonsstadt droht, bleiben die Touristen aus und die Region verarmt. Wer die Aktionen der dortigen Bürgerinitiativen unterstützen will, sollte sich mit deren Vertretern vor Ort in Verbindung setzen. Am Ostersonntag, 14.00 Uhr findet die nun dritte Demonstration vor der Kaserne in Zingst statt. Motto: „Kein Schießplatz! Keine Raketen! Wehrt Euch mit uns!“

Kontakt: Dr. Doris Ahrns, Koppelstraße 1, O-2385 Zingst