Ami goes home: Ganz Bremerhaven ein Ferienland?

■ ÖTV stellt Gutachten über die Auswirkungen der amerikanischen Truppenreduzierungen vor

Die Basis war da: Angestellte des Militärhospitals Bremerhaven, der Marine-Ortungsschule, der amerikanischen Carl-Schurz Kaserne: Gut 100 Gewerkschafter, Personalräte und Vertrauensleute waren dem Ruf ihrer Gewerkschaft ÖTV gefolgt. Im Kultursaal der Arbeiterkammer Bremerhaven hatten sie sich gestern versammelt, und alle interessierte nur eine Frage: Was passiert in Bremerhaven, wenn die Amis gehen?

Antworten sollte Heiner Heseler, Leiter der Kooperationsstelle Universität-Arbeiterkammer Bremen. Heseler ist einer von vier Wissenschaftlern, die sich im Auftrag der ÖTV mit Truppenreduzierungsszenarien herumgeschlagen haben und Perspektiven für den Fall X entwickeln sollten. Seine Bilanz: Solange die US- Army nicht mit genauen Zahlen über Truppenreduzierungen herausrückt, sind kaum verlässliche Prognosen über die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Bremerhaven zu geben.

Relativ genau konnte der Wissenschaftler einschätzen, wie stark Bremerhaven von der amerikanischen Armee abhängig ist. Etwa 1.100 Zivilisten beschäftigen die Amerikaner in ihrem Dienst, dazu kommen 200 Arbeitsplätze im Gaststätten- und Handelsbereich und 70 bei der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft, die ausschließlich amerikanische Güter umschlägt. „Damit sind im schlimmsten Fall, der gesamten Auflösung der Bremerhavener Verbände, etwa 1.500 Arbeitsplätze gefährdet“, rechnete Heseler vor. Damit werden die Angaben eines Senatsgutachtens, das Anfang dieser Woche publik geworden war, in etwa bestätigt.

Doch mit der Analyse allein wollten sich die Wissenschaftler nicht zufrieden geben, schließlich hieß ihre Untersuchung vollmundig „Truppenabzug ohne Arbeitslosigkeit“. Und deshalb hatten sie einen Forderungskatalog aufgestellt, wie man auch im schlimmsten der szenierten Fälle alle verlorenen Arbeitsplätze wieder ausgleichen könnte. Dazu gehören:

Der Staat muß sich in erheblichem Umfang an der künftigen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik beteiligen.

Förderung Bremerhavens als strukturschwache Region,

Alliierte und Bundesregierung müssen ihre Truppenpläne auf den Tisch legen.

Die Bundesregierung muß ein Konversionsprogramm auflegen.

Mittel des Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramms (WAP) werden verstärkt für Konversionsprojekte verteilt.

Alle Tarifparteien einigen sich auf ein gemeinsames Vorgehen.

Konkret: Der Verteidigungshaushalt solle um 10 Milliarden Mark gekürzt und die Hälfte des Geldes in den Konversionsfonds gesteckt werden. „Eine Regierung, die 15 Milliarden für den Golfkrieg ausgibt, sollte so etwas leisten können“, meinte Heseler.

Was der Wissenschaftler im Modell vorgezeichnet hatte, sollte dann der Gewerkschafter festklopfen. Doch was Eckhard Wellnitz, Stellvertretender Bezirkssekretär der ÖTV Weser- Ems, seinen Mitgliedern zu sagen hatte, blieb oberflächlich und unverbindlich. Der nämlich konnte die 1.500 gefährdeten Arbeitsplätze auf dem Theoriebrett ganz gut verteilen (Energiesektor, Umweltschutz, Aus-, Fort-und Weiterbildung, Gewerbeflächenansiedlung etc.), doch was die KollegInnen demnächst konkret machen könnten, fiel auch ihm nicht ein. „Wir haben keine Patentlösung, aber wir können uns viele Möglichkeiten vorstellen.“

„Jetzt ist es doch Zeit für Beispiele“ beklagte sich nach dem Vortrag Elli Martinez, im amerikanischen Armeehospital zuständig für die Schichtpläne. Ihr, wie vielen anderen Basisgewerkschaftern, war die Funktionärsrede zu unkonkret. „Soll ganz Brmerhaven jetzt ein Ferienland werden, oder was?“ Sie hätte sich nach den Vorträgen gerne mit KollegInnen zusammengesetzt, "einfach, um ein paar Ideen zu sammeln". Markus Daschner