Alles Schiebung

■ „Ein Lied für Rom“, Do., 21.3., ARD, 21.03 Uhr

Jedes Jahr darf man erneut die Hände überm Kopf zusammenschlagen: „So schlimm wie diesmal war's noch nie.“ Doch heute hat der Vorentscheid für den Grand Prix Eurovision de la Chanson, des Landes einziger TV-Schlagerwettbewerb, seinen absoluten Tiefststand erreicht. Oder war es doch nur wie im letzten Jahr? Und wie in all den Jahren zuvor?

Konsequent jedenfalls haben die für die Titelauswahl zuständigen Juroren erneut jegliche Entwicklung der deutschen Pop-Szene mißachtet und nur das hervorgekramt, was nicht einmal mehr als Ladenhüter gepreßt wird. Dafür können die jungen Menschen nichts, die sich auf der Bühne abmühen. Die Nummern der weißen Serie, No- name-Produkte fast allesamt, tun nur artig, was man ihnen sagt: Bein zeigen, Fönfrisur schütteln, große Geste mimen, leidlich den Ton treffen, mit sensiblem Ausdruck im Gesicht und verhaltener Leidenschaft in der Stimme. Die fehlende Bühnenpräsenz der zumeist Unerfahrenen wird abgefedert mit simpler Choreographie, eins links, eins rechts, Wiegeschritt.

Damit die Vorstadt-Talentprobe dennoch den akzeptablen Sendeplatz verdient, wird den furchtsamen Novizen je ein Pate vorangeschoben, allbekannte Köpfe aus dem öffentlich-rechtlichen Prominentenfundus. So kommt's, daß Harald Juhnke fehlerfrei auf die Bühne radelt, Hella von Sinnen ein neues Phantasiekostüm präsentiert, Leo „Megaout“ Lukoschik von oben einschwebt und Karl Dall wieder den Blödmann markiert. Der einzige, der das noch gekonnt zusammenhält, ist Hape Kerkeling. Die dralle Ulknudel aus dem Ruhrgebiet trippelt heftig herum, erzählt von „unsre Omma“ und hat viel Spaß dabei. Dazu darf er auch noch singen — außer Konkurrenz — und in einer Currywurst über die Bühne gurken.

Damit schaffts die ARD-Entertainer-Hoffnung, dem Wettbewerb den Ernst zu nehmen und die Show als Unterhaltung zu genießen. Dabei kommt die Veranstaltung zu Beginn noch ein bißchen streng daher, „zum ersten Mal gesamtdeutsch“, und im Friedrichstadtpalast am quasi-historischen Ort. Doch das Etikett „gesamtdeutsch“ ist nichts weiter als ein mitleidiger Schwindel: Aus dem Zehn-Nummern- Teilnehmerfeld kommt lediglich die Formation „Conny und Komplizen“ aus der Ex-DDR. Der große Rest der durchaus präsentablen Schlagerriege-Ost war schon durch das auf den BRD-Markt zugeschnittene Auswahlverfahren ohne Chance. Auch als Paten-Prominenz war wohl — mit Ausnahme von Wolfgang „Lippi“ Lippert aus Ostberlin — keiner von drüben vorzeigbar.

Und der Sieger? Wen interessiert's noch. Das Publikum im Palast hat kräftig gebuht. „Gesundes Volksempfinden“, nannte Karl Dall das danach. Und brachte den Verdacht zur Sprache, der hinter den Kulissen die Runde machte: Schiebung soll alles gewesen sein. Ein Fake. Sonst nichts. Elmar Kraushaar