Kiel verschiebt Atomausstieg

Kiel (taz) — Die schleswig-holsteinische SPD-Landesregierung hat den von ihr tausendmal versprochenen Ausstieg aus der Atomkraft klammheimlich auf das Jahr 2010 verschoben. Das geht aus einer Erklärung des Staatssekretärs im Energieministerium, Claus Möller, hervor. Möller erklärte, das neue, „technisch sichere, von der Preisgestaltung sozial ausgewogene und zum Sparen anreizende, technologisch moderne Energiesystem“ für Schleswig-Holstein könne im Jahr 2010 verwirklicht sein. Die Landesregierung gehe davon aus, daß ein solches Energiekonzept „im Jahre 2010“ keine Bedarfsdeckung durch Atomstrom enthalte.

Aus diesen Äußerungen schließen politische BeobachterInnen in Kiel, daß auch der angestrebte Atomausstieg erst zu diesem Zeitpunkt verwirklicht werden kann.

Sprecher des Energieministeriums beteuerten zwar auf Anfrage, die Engholm-Regierung halte an ihrem Ziel fest, bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode — also 1998— aus der Atomstromversorgung auszusteigen. Schleswig-Holsteins Energieminister Jansen hatte während des Wahlkampfes 1988 gegenüber der taz sogar behauptet, das endgültige Abschalten der ersten Atomkraftwerke könne bereits zur Mitte der laufenden Legislaturperiode erfolgen. Dieser Zeitpunkt wurde bereits mit dem vorigen Sommer überschritten.

Doch selbst der Ausstieg nach der Engholmschen Zeitplanung bis 1998 scheint vor dem Hintergrund der Möller-Erklärung kaum noch möglich zu sein. Ohne schlüssig geregelte Energieversorgung in Schleswig-Holstein lassen sich die Atomkraftwerke in Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel schwerlich vom Netz nehmen. Der Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen Grünen, Nico Sönnichsen, erklärte gestern zum Möller-Zeitplan, dieser offenbare das völlige Scheitern der Ausstiegspolitik der SPD. Jürgen Oetting