Gerichte erlauben Neonazi-Kongreß

Verwaltungsgerichtshof hebt Verbot für Münchner Kongreß auf/ Einstweilige Verfügung in erster Instanz verbietet Rechtsradikalen Nutzung des Tagungsortes/ Neonazi-Mahnwache genehmigt  ■ Aus München Bernd Siegler

Der von der Stadt München verbotene sogenannte „Leuchter-Kongreß“ kann nun doch heute stattfinden. Nach dem Münchener Verwaltungsgericht hob auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) den Verbotsbescheid des Kreisverwaltungsreferats (KVR) der Stadt auf. Das KVR hatte den internationalen Kongreß, in dessem Mittelpunkt die Leugnung des Holocausts steht, am Mittwoch verboten, da sowohl von den Rednern als auch von den Besuchern die Begehung von Straftaten zu erwarten sei. Bayerns Innenminister Edmund Stoiber zeigte sich „außerordentlich enttäuscht“ darüber, daß der VGH nicht die von dem Kongreß „ausgehende rechtsextremistische Gefahr gesehen“ habe. Solche „geschichtsverfälschenden Propagandaveranstaltungen“ müßten, so Stoiber, schon im Vorfeld unterbunden werden.

Ob der Kongreß allerdings, wie ursprünglich vorgesehen, in den Räumen des Deutschen Museums stattfindet, hängt von einer weiteren Gerichtsentscheidung ab. Eine einstweilige Verfügung, mit der die Neonazis eine Öffnung der Räume erzwingen wollten, wurde in erster Instanz abgelehnt. Einer der Veranstalter, Ewald Althans, hatte bereits am 16. Januar als „AVÖ-Public-Relations“ einen 2.400 Personen fassenden Saal im Deutschen Museum für eine „Internationale Multi-Media- Show — Zur Würdigung des Kampfes um Redefreiheit“ gemietet und den Mietpreis im voraus entrichtet. Wegen „arglistiger Täuschung“ hatte die Leitung des Deutschen Museums den Vertrag am 18. März gekündigt, nachdem sie durch ein Schreiben des Kultur- und Innenministeriums vom wahren Charakter der Veranstaltung erfahren hatte. Verwaltungsdirektor Dieter Schultz kündigte an, trotz Aufhebung des Verbots und zu erwartenden Schadensersatzforderungen den Saal heute geschlossen zu halten. Genehmigt wurde allerdings vom Kreisverwaltungsreferat eine von den Teilnehmern des „Revisionisten“-Kongresses angemeldete „Mahnwache“ vor dem Deutschen Museum, die sie unter das Motto „Redefreiheit für ausländische Wissenschaftler“ stellen. Sie soll von 7 bis 24 Uhr laufen.

Die Veranstalter des „Leuchter- Kongresses“, der in Kanada lebende Neonazi Ernst Zündel und sein Münchener Gesinnungsfreund Ewald Althans, sprachen von 1.300 angemeldeten Teilnehmern, man erwarte aber mindestens 1.500. Als Referenten haben sich die „Revisionisten“ David Irving aus London, Robert Faurisson aus Lyon, Gerd Honsik aus Wien und Fred Leuchter aus Boston angekündigt. Leuchter hatte in einem Gutachten die Existenz von Gaskammern in den Konzentrationslagern Auschwitz, Birkenau und Majdanek abgestritten. Der VGH hatte sich in seiner Eilentscheidung auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berufen. Strafrechtlich relevante Äußerungen — die „Auschwitz-Lüge“ ist ein Straftatbestand — ließen sich im Vorfeld weder ausschließen noch annehmen. Damit ignorierten sowohl die beiden Gerichte als auch das KVR, daß bereits in der Einladung zu dem Kongreß die „Auschwitz-Lüge“ gerechtfertigt und das Ziel des Kongresses dementsprechend eindeutig mit „dem Durchbruch des Revisionismus“ definiert worden war. Mit dem VGH-Urteil ist für Kreisverwaltungsreferent Uhl „die Arbeit erledigt“. Er geht davon aus, daß der Kongreß stattfindet.

In München formiert sich derweilen der Widerstand gegen den bislang größten Neonazi-Kongreß der letzten Jahre in der Bundesrepublik. So findet um 11 Uhr am Isartorplatz unter dem Motto „Wider dem Leugnen und Vergessen“ eine Gegenkundgebung statt. Das Münchener „Antifa- Plenum“ wirft den Behörden vor, nur halbherzig gegen den Kongreß vorgegangen zu sein. Indem sich das KVR auf versammlungsrechtliche Aspekte zurückgezogen habe, hätte es sich „aus seiner politischen Verantwortung“ gestohlen.

Empört reagierte auch der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, auf die Entscheidung der Gerichte, das Revisionistentreffen in München zuzulassen. In einer Presseerklärung hieß es, wenn die Verfassungsorgane diesen politischen Skandal zuließen, stelle sich die Frage, wie das vereinte Deutschland seine Demokratiefähigkeit der Weltöffentlichkeit, aber auch den betroffenen Überlebenden des Holocausts und ihren Kindern glaubhaft machen wolle.