Ludwig Güttler und andere Pein

■ Der Dresdner Star-Trompeter versucht sich als Dirigent / Glocke-Publikum jubelt

Da reichen schon der große Name und ein Barockprogramm, und — schwupps! — ist die Glocke ausverkauft. Ludwig Güttler ist der Trompetenvirtuose schlechthin, einst aufgebaut vom SED-Regime und mehrfach mit DDR- Auszeichnungen ausgepreist, was das Programmheft zugunsten seines „Lobens“laufes schamhaft verschweigt.

Da kam Güttler auf die Bühne, baute sich in der Mitte des Kammerorchesters auf, blies den tutti- Part in Bachs Orchestersuite D-Dur, und wedelte mit dem gerade freien Arm irgendwelche Dirigierbewegungen. Dabei spielten die Virtuosi Saxoniae ganz von allein (kein Wunder: die Musiker sind Spitzenkräfte der Dresdner Staatskapelle).

Bei Güttler als Dirigent dagegen stimmte nichts. Die zu langsam vorgeschlagenen Takte beachtete das Orchester gar nicht erst. Sogar zu Bachs drittem Brandenburgischen Konzert, das wirklich klein genug besetzt ist, um ohne Dirigenten auszukommen, mußte Güttler sein Tänzchen machen. Von gestalterischen Qualitäten des „Dirigenten“ war dabei nichts zu spüren. Wie peinlich wirkten etwa die isoliert herausgestellen, nicht ausgezierten Adagio-Übergangsakkorde zwischen den beiden schnellen Ecksätzen, die eigentlich „attacca“ kommen müßten!

Und Güttler als Trompeter? Da waren in der Regel hohe Töne zu hoch, tiefe zu tief. Aber wenigstens waren alle Töne da. Nur: sein Vibrato übertraf selbst das der drei Oboisten.

Das Kammerorchester versuchte noch, das Beste aus der ganzen Sache zu machen. Die Continuo-Gruppe war ausgezeichnet, besonders der Cellist Joachim Bischof.

Ein Extralob verdiente sich der Oboensolist im langsamen Satz des abschließenden D-Dur-Konzerts von Bach, wenngleich auch sein Spiel vibratodurchsetzt-sentimental und „unbarockig“ war. Friedemann Bachs „Dissonanzen“-Sinfonie F-Dur, damals bestürzend in ihrer Kühnheit, plätscherte nur belanglos dahin.

Insgesamt ist mir in diesem Konzert regelrecht übel geworden. Das Publikum jedoch war begeistert. Wenn alle sagen, er sei gut, dann muß er es auch sein. Gerüchte, er habe unter seinem Namen verkaufte Schallplatten von anderen einspielen lassen, will man gar nicht hören. Das haben Milli Vanilli auch — na und?

Immerhin in zwei Zugaben durfte Güttler nochmal blasen und wedeln. Ich hätte mich mehr gefreut, die Virtuosi Saxoniae den ganzen Abend lang ohne Güttler so exzellent Mozart spielen zu hören wie in der letzten Zugabe. Gunnar Cohrs